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Kindergarten 1826

Im Jahre 1826 passierte etwas revolutionäres: Nicéphore Nièpce bannte etwas heute kaum noch identifizierbares auf Papier. Das erste überlieferte Foto war geboren und fortan konnten Eltern die Fortschritte ihrer Kinder nicht nur im Geiste dokumentieren. Heute, fast 200 Jahre später, ist das Foto längst alltäglich geworden und wurde erst vor Kurzem durch die Digitalfotografie nochmals revolutioniert. Aber nicht überall: In Zoe's Kindergarten herrscht jetzt wieder 1826.

fence-67322_640.jpgÜber das Problem hatte ich schon vor ein paar Tagen gebloggt und wollte es so bald gar nicht wieder aufgreifen: In Zoe's Kiga wurden Fotos und Videos direkt vor der lange einstudierten Theateraufführung verboten. Heute war Bürgersprechstunde unseres neuen Bürgermeisters - die Chance, vielleicht etwas Licht in die Sache zu bringen.

§ 201A des StGB Ziff. 1 wurde mir prompt um die Ohren gehauen zitiert:

Wer von einer anderen Person, die sich in [...] einem [...] besonders geschützten Raum befindet, unbefugt Bildaufnahmen herstellt oder überträgt und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Genau nach diesem Paragraphen (den ich hier nur auszugsweise zitiert habe), befürchtet unser Bürgermeister verurteilt zu werden. Ich bin kein Anwalt, aber ich weiß aus leidiger Erfahrung, wie sehr Anwälte sich jeden Paragraphen zurechtbiegen und dieser enthält das Wörtchen unbefugt.

In den letzten drei Jahren war es vollkommen ausreichend, dass alle Eltern bei der Aufnahme eine entsprechende Einverständniserklärung unterschrieben haben. Selbst das Angebot, diese explizit für Fotos und die Videoaufnahme der Theateraufzeichnung zu erneuern wurde abgelehnt.

Wenigstens liegt mir jetzt der offizielle, aber wieder nicht mit Name oder Unterschrift versehene, Elternbrief vor. Nur mir, die anderen Eltern werden diesen in den nächsten Monaten Wochen Tagen erhalten, ich habe ihn bei der Bürgersprechstunde bekommen (wie gesagt - er war vorbereitet). Dort heißt es - entgegen der vorherigen Aussage und der in der Bürgersprechstunde - wörtlich:

Sollte die Kindertageseinrichtungen Printversionen von Bild- und Tonaufnahmen Ihres Kindes vervielfältigen und anderen Personen zur Verfügung stellen wollen, ist hierfür eine gesonderte Einwilligung der Sorgeberechtigungen erforderlich.

Also ich hätte dann gerne mal eine Printversion der Tonaufnahme vom Theaterstück... Scherz bei Seite - was gilt denn nun?

Ein weiteres Ergebnis des Gespräches: Vorführungen in anderen als den Kiga-Räumen könnten legal fotografiert und aufgenommen werden - selbst wenn es städtische Räume sind!

Die Regelung bleibt für mich nach wie vor unverständlich. Klar ist mir bei dem Termin heute nur geworden, dass Eltern von Seiten des Bürgermeisters weder Verständnis noch Lösungswille erwarten dürfen - obwohl er selbst ein Kind im Kiga- und eines im Grundschulalter hat, aber anscheinend legt er keinerlei Wert darauf, deren Fortschritte und "große Tage" (wie Aufführungen, etc.) festzuhalten. Willkommen, Burgwedel, zurück im Jahr 1826.

 

3 Kommentare. Schreib was dazu

  1. Zeigt doch mal eurem Bürgermeister dieses hübsche Bild aus dem letzten Jahrtausend.
    http://3.bp.blogspot.com/-J3-rGOZfr0g/UtWfWiLC2XI/AAAAAAAAAsw/xF8Nhs96lek/s1600/seine+augen.jpg
    Mit den schönsten Grüßen eines heute 34jährigen, der dem Erwachsenen von damals bis heute zu Dank verpflichtet ist, und zwar aufgrund seiner unzulässigen Aufnahme bei einem Kindergartenfest im Jahr 1985. Komisch, dass ich von dieser Ablichtung ein DIN4-großes Exemplar eingerahmt noch heute an der Wand aufgehängt habe. Dabei sollte das Bild gar nicht existieren... mal ganz zu schweigen von der Erinnerung, die damit aufkommt.

    • Sebastian

      Hmm, mache ich mich jetzt strafbar, weil ich den Kommentar mit Fotolink freigegeben habe ohne dass Eure Eltern mir schriftlich ihr Einverständnis erteilt haben? ;)

      • Adelhaidhttp://www.blog.adelhaid.de

        *Grins* Du darfst nur darauf hoffen, dass unsere (also des Mädchens und meines) Kinder nicht dieses Bild sehen. Mein Sohn hat z. B. keine Ahnung über die Hintergründe des Bildes, also er weiß nicht, wer da abgelichtet ist. Aber vielleicht verrate ich es ihm mal, wenn er zufällig danach fragt.

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