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Was würdest Du mit 100.000 Euro machen?

Timm, der Internetblogger, hinterfragte in einem Kommentar meine These, dass man jedes Buch mit 100.000 Euro Werbebudget in die Bestsellerlisten bekommen könnte. Ich wollte ebenfalls in einem Kommentar antworten, merkte aber schnell, dass der Platz dafür bei weitem nicht reicht. Hier also die Antwort: Was würde ich mit 100.000 Euro Werbebudget für ein Buch machen?

Natürlich habe ich keine pratischen Erfahrungen mit Werbemaßnahmen in dieser Größenordnung, aber als (unfreiwilliger) Werbekonsument kann ich durchaus ein paar Anregungen übernehmen. Diese frei erfundene Kampagne soll einen Monat laufen, soweit das bei den einzelnen Werbemitteln möglich ist.

Fernzüge

Ich nutze für Fernreisen mittlerweile meist Züge und dort fällt mir auch immer wieder Buchwerbung auf. Die Preise sind beim Exklusivvermarkter der Deutschen Bahn online einsehbar.

Auf den Bahnsteigen gibt es 9qm große Plakate, die für jeweils (im Schnitt) 10,5 Tage gebucht werden können. Die Preise reichen von etwa € 5,90 bis € 66,10 - natürlich pro Tag. Für einen durchschnittlichen Standort nehme ich einen Mittelwert von € 22,- an, das entspricht einem unbeleuchtetem Standort, der etwa 3.800 bis 4.800 mal pro Tag gesehen wird und das auf allen 15 Hauptbahnbahnhöfen in Städten mit mehr als 450.000 Einwohnern. Gebucht werden 5 Standorte pro Bahnhof

€ 22,- pro Pakat und Tag * 30 Tage * 15 Bahnhöfe * 5 Standorte = € 49.500,-

Schwupps ist die Hälfte des Werbebudgets verbraucht, dafür sehen etwa 9,7 Mio. Menschen diese Werbung. Natürlich nicht 9,7 Mio. unterschiedliche sondern jeder einzelne Pendler beispielsweise 40 bis 60 Mal. Wären alle Bahnhofsbesucher Pendler, blieben gerade mal etwa 193.500 unterschiedliche Menschen übrig, die an den Plakaten vorbeigehen. Wie viele sie tatsächlich wahrnehmen ist eine ganz andere Frage.

Im IC und ICE liegt an jedem Platz ein kleiner "Ihr Reiseplan" Flyer mit der Fahrtstrecke, den Ankunftszeiten und Anschlussverbindungen. Dort findet sich auch oft Buchwerbung, allerdings schauen nicht viele Leute überhaupt rein. 1/4 Seite dort hat etwa Visitenkartenformat (110 x 55mm) und ist in schwarz/weiß bedruckt mit € 85,- pro Monat scheinbar recht günstig. Allerdings wird die Anzeige im Zug gelesen - dort ist normalerweise kein Buchladen in der Nähe, der interessierte Werbekonsument muss sich also den Titel irgendwo aufschreiben und sich später noch daran erinnern. Der Preis hat natürlich auch einen Haken: Er gilt pro Zug, also nicht etwa für alle ICE, die zwischen Hamburg und München fahren, sondern für den ICE, der um 6:50 in Hamburg losfährt. Der nächste um 7:50 kostet erneut, die Gegenrichtung ebenfalls.

Wenn ich mich nicht verzählt habe, gibt es auf der Strecke Hamburg - München pro Tag 25 ICE-Verbindungen. Macht inklusive Rückweg 50 zu buchende Züge:

€ 85,- pro Zug * 50 Züge = € 4.250,-

Online

Leider habe ich die Preisliste von LovelyBooks nicht mehr. Aus dem Kopf weiß ich nur noch, dass es ein netter vierstelliger Betrag war, den diese Seite für eine Leserunde fordert. Blogg-Dein-Buch möchte neben mindestens 100 Büchern natürlich auch noch etwas haben. Für beide zusammen dürften € 7.500 realistisch sein.

Verkauf

Bisher ging es nur um direkte Werbung, aber die alleine bringt einen nicht in die Bestsellerlisten, wenn das Buch nirgendwo erhältlich ist. "Bestellbar" ist dabei keine Option, denn wenn der Kunde im Laden steht, weil er gerade ein teures tolles Plakat gesehen hat, dann möchte er das Buch auch gleich mitnehmen und auf der Weiterfahrt im Anschlusszug lesen. Buchhandlungen entscheiden aber selbst darüber, mit welchen Büchern sie ihre begrenzten Regelkapazitäten füllen. Aber wir wollen hoch hinaus, da reicht nicht "Regal 55, ganz oben, aber wischen Sie den Staub ab bevor sie's rausnehmen", sondern vor allem dort, wo Buchinteressierte anzutreffen sind, muss das Buch prominent sein. Ein Büchertisch oder Schaufenster muss her und zwar möglichst flächendeckend in den größeren Buchläden. Aus gut unterrichteter Quelle wurde mir ein Preis von € 20.000,- pro Monat und Buchhandelskette als realistisch genannt. Wir bleiben für den Anfang bei einer Kette, um noch etwas Geld übrig zu haben.

Printmedien

Der Spiegel veröffentlicht eine der am meisten beachteten Bestsellerlisten, eine Anzeige kann dort also nicht ganz falsch sein. Der Spiegel erscheint wöchentlich, also müssen 4 Ausgaben belegt werden, 1/4 Seite kostet lt. Mediadaten die Kleinigkeit von € 22.500,-. Damit frisst nur diese Viertelseite fast das gesamte Budget auf, also lassen wir den Spiegel doch außen vor.

Die Frauenzeitschrift Brigitte erscheint alle zwei Wochen mit einer Auflage von etwa 530.000 verkauften Exemplaren. 1/3 Seite kostet pro Ausgabe € 27.690,- (und wir lassen die unterschwellige Behauptung, dass Frauen im allgemeinen mehr Bücher lesen, als Männer, an dieser Stelle unbeachtet).

€ 27.690,- * 2 Ausgaben = € 55.380,-

Fazit

Damit hätten wir ein paar Bahnreisende, Teilnehmer zweier Buchplattformen, ein paar Büchertische und eine einzige Zeitschrift. Beispielsweise Autofahrer oder Fußgänger in Innenstädten sind noch gar nicht berücksichtigt, ebensowenig Tageszeitungen oder Buchportal-unabhängige Onlinewerbung durch Banner, bei Google oder Facebook.

Trotzdem ist das Budget überzogen, denn die genannten Werbemaßnahmen kosten - ohne Gestaltung und Nebenkosten - schlappe € 136.630,- Selbst wenn ich optimistisch davon ausgehe, in der Praxis noch bis zu 10% Rabatt aushandeln zu können, sind mit ein paar einzelnen Maßnahmen weit mehr als die angestrebten € 100.000,- weg und das nur für einen einzigen Monat, dabei weiß doch eigentlich jeder, dass Werbung nur dann wirklich wirkt, wenn sie dauerhaft und immer wieder wiederholt auf einen Menschen wirkt.

Timm, als Antwort auf Deine Frage bleibt mir nur: Ich habe definitiv nicht zu viel notwendiges Budget geschätzt, eher zu wenig, vielleicht auch viel zu wenig.

 

9 Kommentare. Schreib was dazu

  1. Hallo,

    ich habe shcon lange nicht mehr kommentiert und deshalb mal heute wieder weil dein Thema sehr interessant war! Cool das ich das buch auch endlich mal sehe was du immer mal wieder erwähnst! ;-)

    Ich wusste nicht das Werbung für ein Buch so teuer sein kann. Wenn du es richtig machen wolltest würde das also richtig teuer werden und dann ist nicht mal gesagt wie gut es sich verkauft!

    Für das Geld würde ich unseren Wohnwagen abbezahlen. Dann Fahrschule für meine Frau bezahlen. Ein 2. Auto und den Rest als Vorsorge für die 4 Kinder hinterlegen. Wenn es mich ganz viel jucken würde dann würde ich vermutlich ein Haus kaufen und das ausbauen! Aber eher ersteres!

    PS. Das Blog-CMS finde ich so schlecht nicht und die Theme find ich auch gut!

  2. Und ich kann sagen: Herzlichen Glückwunsch Herr Autor: Sie haben einen Bestseller. ;)

  3. chris

    Ich denke für 100000 kann man vor allem einen Top Online Coach anstellen, der Dein Buch in die Top Suchpositionen bei Google und in Amazon bringt. Und dann würde der Rubel rollen.

    • Sebastian

      Dafür müsste SEO noch etwas bringen, aber die Zeiten sind längst vorbei. Außerdem wäre die Frage, welche Suchbegriffe man optimieren sollte, immerhin sucht niemand nach einem Buch das er nicht kennt.
      Von den ersten drei Seiten Google-Ergebnissen führt auf Seite 2 und 3 jeweils ein Treffer nicht zum Buch. Selbst beim Untertitel als Suchbegriff ist es auf Platz 1 und mehrfach auf der ersten Seite vertreten.
      Bei Büchern ist Suchmaschinenmarketing viel einfacher, weil man nicht eine einzige Seite "hochbringen" muss. Es gibt so viele Rezensionen und Online-Buchhändler - auf welcher dieser Seiten der User landet, ist egal.

  4. Mattes

    Ich würde das Geld komplett reinvestieren in mein Business und teilweise in die Finanzmärkte. Das Business auf Autopilot stellen und nach Curacao auswandern und von da aus alles managen.

    Mattes

    • Sebastian

      Wie schon geschrieben: Es ging explizit um 100.000 Euro Werbebudget für ein Buch. Auch zum Auswandern reicht das Geld wohl kaum, zumindest, wenn Du dort nicht arbeiten willst.

  5. Coletta Coi

    Es ist schon erstaunlich, wie teuer Werbung für Bücher ist. Ich frage mich: Wie schaffen es relativ unbekannte Autoren, in der FAZ- online oder auch in anderen bereits genannten Medien in die Reihe der empfohlenen Bücher zu kommen? Es kann doch nicht jeder diese horrenden Summen bezahlen. Eines beruhigt mich aber jetzt schon sehr. Es muss nicht am Buch liegen, wenn es sich schleppend verkauft, sondern eben an mangelnder Prominenz, ob A, B, oder C, und vor allem an der fehlenden Werbung.
    Fazit: Keine Werbung - kein Verkauf.
    Schreiben kann auch ein erfüllendes Hobby sein, ohne Geld zu verdienen - aber - schön wär es schon!!!!

    Coletta Coi

    • Sebastian

      Die Wege sind unterschiedlich. Im Lokalteil unserer überreginalen Tageszeitung hat "Bea geht" ganz Seite bekommen - weil die Reporter immer gerne Geschichten aus unsere Kleinstadt schreiben und so viel passiert hier sonst nicht, um die zweieinhalb Seiten zu füllen, die sie täglich haben. Vielleicht sitzt in der FAZ-Redaktion jemand, der auch Indies liest oder die Autoren haben Kontakte zur Redaktion oder oder oder. Solange man diese Möglichkeit nicht für sich selbst nutzen kann, lohnt es sich nicht, sich darüber aufzuregen.

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