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Heute ist Zukunft

Heute ist der Tag der Zukunft. Genau der richtige Anlass, sich einmal mit der Zukunft und deren zunehmender Abwesenheit auseinanderzusetzen.

Alle Medien und soziale Netzwerke pfeifen es heute wie die sprichwörtlichen Spatzen von den digitalen Bäumen: Heute ist Zukunft! Heute ist der Tag, an dem Marty McFly in einem heute gar nicht mehr der StVO entsprechenden Fahrzeug aus einer Zeitwolke purzelt um später zurück in die Zukunft ... nein ... eher Vergangenheit zu entschwinden.

Wir schweben nicht auf Hoverboards durch die Straßen und die Mode hat sich geringfügig anders entwickelt, als der Film es vorhergesagt hat. Immerhin, 3D Kino ist mittlerweile Standard. Etwas hat sich dagegen geändert: Die Visionen fehlen.

Zu Zeiten der Zurück-in-die-Zukunft-Triologie gab es noch echte SciFi-Filme. Science und Fiction.

Mit Sicherheit lässt sich vortrefflich darüber streiten, ob und wie viel Wissenschaft heute noch in den Drehbüchern schlummert, aber etwas viel wichtigeres ist fast nicht mehr vorhanden: Die Fiktion oder auch Vision. Marty McFly hätte sich bestimmt nie träumen lassen, dass sich alle SciFi-"Zukunfts"-Filme tatsächlich nur noch mit der Gegenwart beschäftigen. Kein Drehbuchautor traut sich heutzutage noch, ein Bild der Welt in 25, 100 oder 200 Jahren zu zeichnen - wie es zur Entstehung von Star Trek, Star Wars - und natürlich auch "Zurück in die Zukunft" - selbstverständlich war.

Back to Reality...

Bleiben wir aber mal kurz weg von TV und Kino: Langsam kristallisiert sich heraus, wohin unsere Zukunft führen wird. Noch vor ein paar Jahren hätte diese Prognose weder abgeben wollen, noch können, aber heute? Ich bin ziemlich sicher, dass der Einzelhandel wie wir ihn kennen in den nächsten 10 bis 25 Jahren verschwinden wird.

Schon heute lässt sich alles im Internet bestellen. Bei Technologie und ähnlichen Artikeln ist das einfach selbstverständlich, ebenso die Pizza vom Bringdienst um die Ecke, aber auch Lebensmittel und komplette Supermarktsortimente sind schon online erhältlich. Supermärkte werden sich sicherlich noch am längsten halten, aber der Buchladen um die Ecke wird noch vor Ende des Jahrzehnts nahezu vollständig verschwunden sein.

Massenmedien müssen auch bald aufeben. Spotify, Netflix & Co. drängen schon jetzt mit riesengroßen Schritten auf den Markt und werden Zeitungen, TV- und Radiosender in absehbarer Zeit verdrängen. Diese werden sich natürlich wehren, so gut sie können und vielleicht schafft der eine oder andere tatsächlich den Schritt vom Massen- zum Individualmedium, aber kaum ein Printmedium hat das Internet begriffen - das zeigen ihre Internetpräsenzen ziemlich deutlich.

Dazu reicht schon der Vergleich vom Online-Magazin T3N und der Tageszeitung HAZ. Beide haben Werbung, aber die Tageszeitung erschlägt den Besucher - nicht zuletzt mit schlechter Navigation, halbtauglicher Suchfunktion und vielen kostenpflichtigen Artikeln - während das Onlinemagazin zu informieren versteht. Die Print-Ausgabe ist - wie schon immer - dem Weltgeschehen einen ganzen Tag hinterher, allerdings war vor 10 Jahren noch nicht jeder einzelne Internet-Nutzer genau so schnell über wichtige Neuigkeiten informiert, wie die Zeitungsredaktion.

Nicht nur für die Unternehmen, auch für die Menschen wird sich sehr Vieles verändern. Präsenz-Jobs werden immer mehr abnehmen, um so mehr online erledigt wird. Heute pendelt der Großteil der Menschen noch täglich zum Arbeitsplatz, aber in nur einer Dekade wird die Mehrheit die eigenen vier Wände quasi gar nicht mehr verlassen müssen.

Ein ganz und gar nicht berufliches Thema zeigt das bereits sehr deutlich: Die Liebe. Meine Frau wohnte eine halbe Autostunde von mir entfernt, als wir uns kennenlernten - in der Mitte zwischen beiden Wohnorten bei einem Offline-Akte-X-Fantreffen. Hätten uns nur eine halbe Autostunde mehr getrennt, hätten wir uns bestimmt nicht getroffen und verliebt.

Heute wurde die Gerüchteküche vom Facebook-Beziehungsstatus abgelöst. Die ewige Liebe fürs Leben findet man in Online-Singlebörsen, von denen es mehr als genug für jeden Geschmack gibt. Aber ewig ist sie schon lange nicht mehr, sondern eher eine Institution auf Zeit - bis es krieselt und sich beide einfach neue LAPs suchen.

analoge_uhr.pngIm McFly-ischen Duden kam das Wort "Lebensabschnittspartner" bestimmt nicht vor, so er denn überhaupt einen hatte. Gebraucht hätte er ihn nicht, immerhin kam man damals problemlos mit seiner Landessprache aus, sofern man sich nicht selbst physikalisch über die Landesgrenzen zu bewegen gedachte.

Immer mehr Menschen kommen sogar immer mehr Menschen ganz ohne echten LAP und Fortpflanzungsgedanken aus. Sie halten sich von Datingplattformen fern und in der echten Welt ergibt sich wenig. Der deutsche Bevölkerungsrückgang wird gerade mehr oder weniger zufällig durch eine kräftige Flüchtlingsinjektion ausgebremst, aber auf Dauer könnte es für die G7+X wirklich eng werden. Wenn Beziehungen online geführt werden und der persönliche Kontakt immer weniger notwendig wird, leidet zwangsweise auch die Geburtenrate darunter.

Fiction ohne Science

Zeichne ich hier gerade ein düsteres Bild? Darüber soll bitte jeder selbst urteilen. Ich halte es für absolut möglich und werde voraussichtlich sogar noch erleben, ob ich mich irre. Nur eines ist klar: Unsere Welt verändert sich mittlerweile so schnell, dass sich mancher tatsächlich wie Marty McFly fühlen mag, der sich von einem Moment auf den anderen in einer völlig neuen Welt wiederfindet.

 

3 Kommentare. Schreib was dazu

  1. Ralf

    Ich glaube du machst den Fehler aktuelle Entwichklungen in die Zukunft zu projezieren.
    Ich denke es wird hip werden es sich leisten zu können in echten Läden einzukaufen, übers Internet kaufen dann nur noch Harz4 Empänger ein. Ebsenso wird der Verzicht aufs Handy als Luxus der oberen 10000 angesehen werden.

    Beispiele für solche Gegenläufige Entwichlungen in der Vergangenheit sind.

    Analoguhren statt Digitaluhren.
    Braun statt käsig als angesagte Hautfarbe.

    Dazu kommt das die Dinge die die größten gesellschaftlichen Umwälzungen bringen nicht vorhersehbar sind. z.B Internet

    • Sebastian

      Natürlich kann ich mich irren und einzelne Ausnahmen wird es auch immer geben. Nur eines ist sicher: Unsere Welt verändert sich so schnell wie noch nie. Wir werden sehen, was dabei raus kommt...

  2. Ich sehe das ähnlich, wie Ralf. Natürlich ist es mehr als praktisch, sich Waren bis vor die eigene Wohnungstür liefern zu lassen, aber gerade, wenn all das zunimmt und man sich die Nudeln fürs morgige Mittag fast in den Kochtopf liefern lässt, entwickelt sich fast zeitgleich ein gegenläufiger Trend. Ich sehe es in meinem Studiengang, wo Kommolitonen sitzen, die ausschließlich in den Bio-Markt rennen(wobei fraglich bleibt, wie man das als Student finanzieren kann), das alte Hemd von Opa tragen und es toll finden, wenn das Handy am Wochenende aus bleibt. Der Punkt dahinter nennt sich wohl "back to the roots". Gar nicht mal so verkehrt. Aber muss ich etwas anders machen, nur weil der Rest der Welt es so macht? Was ist an Entwicklung und einem gehobenen technischen Fortschritt verkehrt? Irgendwie pubertäre Einstellung. Es ist die Kunst, die Balance zwischen Fortschritt und gewohnten alten "guten" Dingen zu behalten.

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