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Ein blauer Sonntag in Rostock

Kürzlich wurde mir schon unterstellt, ich würde zu viel trinken. Tatsächlich haben wir mir vier Personen mehr als 100 Liter einer hellblauen Flüssigkeit "plattgemacht", allerdings rate ich eher davon ab, sie zu trinken. (@Torben: Nein, ich habe kein Alkhoholproblem ;) )

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Bei der blauen Flüssigkeit handelt es sich natürlich um AVGAS 100LL, ganz normales Flugzeugbenzin und wir haben sie genutzt, um einen Tag in Rostock zu verbringen.

Ich bin jedes Mal wieder überrascht, wie viel Zeit wir vor und nach dem Fliegen einplanen müssen, die gar nichts mit dem Fliegen zu tun hat. Etwa 30 bis 45 Minuten verbringen wir mit dem obligatorischen Toilettenbesuch vor Abflug, der Sicherheitskontrolle, Prüfen & Vorbereiten des Fliegers, Einräumen des Gepäcks, Tanken und dem Rollen zur Startbahn. Aber diese Zeit ist es gar nicht, die mich irritiert, sondern das Drumherum. Das wäre bei einem Ausflug mit Auto oder Zug auch nicht anders, denn auch hier müssten die Route geplant, Sachen zum mitnehmen zusammengepackt, Kinder ins Auto geladen und Bea abgeholt werden.

04.08.2013_011.jpgWir hatten einen recht straffen Zeitplan, der unseren Wecker dazu zwang, um halb sieben zu klingeln - am Sonntag! Nach dem Aufstehen ging es erstmal an den Computer: Die Flugplanung wollte noch um aktuelles Wetter ergänzt werden, NOTAMs (aktuelle Änderungen im Luftraum und bei Flugplätzen) mussten gelesen werden und natürlich stand trotz der guten Vorhersagen wieder die Frage im Raum, ob das Wetter einen Flug möglich machen würde - Frühnebel, der sich ein, zwei Meter hoch auf die Ladebahn legt, könnte alles zunichte machen, weil die Bodensicht dadurch unter das gesetzlich erlaubte Minimum fallen würde, aber diese Befürchtung bewahrheitete sich nicht.

04.08.2013_017.jpgBei der Wohngruppe wurden wir schon von Bea erwartet. Sie ist verkürzt worden! Natürlich nicht sie selbst, sondern ihre schönen Haare sind weg, jetzt hat sie eine Kurzhaarfrisur, die zwar auch nicht schlecht aussieht, aber eben sehr... anders und ungewohnt. Sie sieht gar nicht mehr wie "Bea" aus.

Am Flughafen Hannover waren wir unserem Zeitplan sogar eine gute Viertelstunde voraus, wurden dann allerdings ausgebremst: Es sollte unser erster Trip mit der D-EFHM werden, einer TB 200. Ich bin erst einmal damit geflogen und meine Frauen haben sie bisher höchstens im Hanger neben "unserer" D-EXBS stehen sehen und so haben wir vor allem für die Checklisten mehr Zeit gebraucht, als gedacht. Eigentlich haben wir uns diese Zeit bewusst genommen, in Ruhe alles durchzugehen. Vorteil des Tiefdeckers: Zoe kann ganz alleine die roten "REMOVE BEFORE FLIGHT"-Marker vom Pitotrohr und den Löchern für die statische Druckabnahme abnehmen (und später auch wieder anbringen) und sie ist mit Begeisterung dabei. Auch beim Tanken hat sie geholfen und ganz alleine das Erdungskabel geholt - nur das anschließen überlassen wir doch lieben den Erwachsenen.

04.08.2013_051.jpgBeim Checkflug hatte mich die D-EFHM mit einer sehr guten Steigleistung beeindruckt, von der allerdings im voll besetzten Zustand mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern plus etwa 150 Liter Sprit nicht viel übrig blieb: Mit wenig mehr als 500 ft. pro Minute quälte sie sich in die Luft und auf 2000 ft. (etwa 660 Meter Höhe). Nach dem Verlassen der Kontrollzone Hannover und drehten wir leicht nach Nord-Ost und stiegen (selbstverständlich unter Beachtung des Luftraumes C über Hannover) auf 4000 ft.

Normalerweise wechseln wir von Hannover-Turm immer gleich auf die FIS-Frequenz von Bremen-Information, aber dieses Mal stellte sich dieses Vorhaben als leicht problematisch heraus. Mit dem Funkgerät war alles in Ordnung und wir empfingen Bremen auch klar und deutlich - aber Senden und uns anmelden konnten wir nicht. Die Frequenz war derartig voll mit Flugzeugen, die es an diesem schönen, sonnigen Sonntag Richtung Küste trieb, dass es eine ganze Zeit dauerte, bis wir endlich den Status der auf unserem Weg liegenden Flugverbotszonen (Restricted Area, kurz ED-R) abfragen konnte. Notiz an mich selbst: Beim nächsten Mal besser gleich Hannover-Turm vor dem Start fragen.

04.08.2013_030.jpgEs war so voll, dass wir sogar auf eine formelle Anmeldung beim FIS verzichteten, sondern nur weiter hörbereit waren. Damit konnten wir später selbstständig von der "Bremen-Süd" auf die "Bremen-Nord"-Frequenz und dann zur "Bremen-Ost" wechseln, ohne jedes Mal eine Freigabe einzuholen und trotzdem müssten wir im Fall der Fälle einfach nur die Taste drücken und "MAYDAY D-EFHM" rufen, um gehört zu werden.

04.08.2013_057.jpgÜber Uelzen und Pinnow und unter einer immer löcheriger werdenden, aber weit genug über uns liegenden Wolkenschicht kam wir in Reichweite von Rostock und meldeten uns dort zum Einflug von Süden, über den Pflichtmeldepunkt Sierra an. Die Antwort war teilweise überraschend: "Melden Sie Sierra in 1000 ft." Normalerweise hätten wir eine Freigabe zum Einflug erwartet - aber die bekamen wir nicht, dafür eine Höhenanweisung noch vor dem kontrollierten Luftraum. Beides war überraschend - in Hannover fliegen wir selbstständig in 2000 - 2400 ft. ein, um dann bis zum Flugplatz langsam weiter auf 1200 ft. zu sinken - und zwang uns zu einem schnelleren Sinkflug, als ursprünglich geplant. Bei Sierra hatten wir schließlich 1200 ft., aber den freundlichen Rostocker Türmer hat das nicht gestört. "Melden sie Queranflug zur 28" - ja, machen wir natürlich gerne, aber... wie sollen wir dort hin kommen? In der Flugfunkausbildung wurde uns eingebleut, dass kontrollierte Lufträume eine explizite Freigabe erfordern (während beispielsweise eine Landefreigabe automatisch auch zum Gegen- und Queranflug berechtigt). Auf Nachfrage bekamen wir dann allerdings doch noch die gewünschte Erlaubnis, in den Rostocker Luftraum einzudringen.

04.08.2013_070.jpgSchon im Vorfeld hatte sich ein Problem abgezeichnet: Die Insel "Flughafen Rostock-Laage". Der Flughafen liegt etwa 20 km südlich von Rostock und ist verkehrstechnisch wirklich eine Insel, denn dort weg oder hin zu kommen - auf dem Landweg, nicht durch die Luft - wird einem Besucher nicht gerade leicht gemacht. Letztendlich haben wir uns für ein Taxi entschieden: Für 15 Euro ist man in wenigen Minuten beim S-Bahnhof Kronskamp, von dort fährt eine S-Bahn nach Rostock. Genauer gesagt, fährt dort nur eine S-Bahn alle zwei Stunden und genau an diesem Fahrplan haben wir unseren ganzen Tagesablauf ausgerichtet: 11:38 am S-Bahnhof - oder wir müssten zwei Stunden warten. Das Taxi sollte man mindestens eine halbe, besser eine Stunde vorher bestellen (038459/669793).

Zwei weitere Alternativen haben wir gefunden, die Strecke zwischen Flughafen und Rostock zu überbrücken:

  • Ein Shuttlebus fährt zwischen Rostock ZOB - allerdings nur ein paar Mal pro Woche, wenn Linienflieger Rostock ansteuern. Außerdem kostet die Fahrt 10 Euro pro Person.
  • Mietwagen werden vom Flughafenservice zwar "ab 53 Euro pro Tag" angeboten - und damit billiger als Taxi plus S-Bahn-Fahrkarten - in der Praxis gingen die Preise aber ab etwa 80 Euro los - wenn überhaupt noch welche verfügbar waren.

Sich auf einem Bahnhof mit jemandem zu verabreden, den man noch nie getroffen hat, ist manchmal nicht ganz leicht. Der Rostocker Bahnhof hat - bezogen auf die Stadt - eine ziemlich imposante Größe, was die Verabredung nicht gerade erleichtert. Ein blaues Sonntagstreffen macht die Sache allerdings wesentlich einfacher, denn auf dem ganzen Bahnsteig gab es nur eine Person mit blauen Haaren: 237-Autorin Justine W. Gacy.

04.08.2013_081.jpgAuch der Himmel zeigte sich von seiner blausten Seite und wir konnten uns ausgiebig unterhalten - über Bücher, vermeidbare Todesfälle (nein, das führe ich nicht weiter aus, da müsst Ihr schon warten, bis das nächste oder übernächste Buch von ihr erscheint :) ), Bäume, die Touristen weichen mussten, wollüstige Brunnen und allerlei andere lebenswichtige Dinge.

Zoe_Springbrunnen_04.08.2013.gifWie gesagt, der Himmel war blau, die Sonne schien... trotzdem blieb nicht alles trocken, denn ein kleiner Wasserfloh wollte sich unbedingt den Springbrunnen vor dem Cafe "anschauen". Zunächst mit den Augen. Dann mit den Händen. Dann mit den Füßen. Und schließlich mit vollem Körpereinsatz. Es war einer dieser Momente, in denen man als Erziehungsverpflichteter nicht weiß, ob man lachen oder schimpfen soll. Glücklicherweise vermied die von Mama sicherheitshalber eingepackte Wechselwäsche Folgeprobleme wie einen nassen Flugzeugsitz.

Kurz nach vier machte sich die bekannte zweistündliche S-Bahn wieder auf den Weg und auch unser Taxi zurück zum Flughafen klappte problemlos. Bedenklich finde ich es allerdings schon, dass wir für die Strecken vom Flughafen bis zum Hauptbahnhof Rostock und zurück insgesamt 56,20 Euro investieren mussten (plus Trinkgeld für den Taxifahrer). Sicherlich, der Flug selbst war auch nicht billig, aber für weniger als das doppelte komme ich von meiner Wohnungstür bis nach Darmstadt und die Monatskarte meiner Frau - mit der sie Bea und mich am Wochenende kostenlos mitnehmen kann - ist gerade mal rund 30 Euro teurer, gilt aber auch von hier bis auf die andere Seite von Hannover.

04.08.2013_113.jpgRostock Laage selbst ist ein sehr schöner Flughafen mit freundlichen Mitarbeitern. Die Landegebühren (6 Euro für uns) sind mehr als in Ordnung (nicht wenige Vereinsflugplätze verlangen mehr) und auch die Parkgebühren (5,60 pro Tag) sind absolut zu vernachlässigen. Etwas geärgert habe ich mich allerdings, dass wir - ganz entgegen der üblichen Regelung, die Privatflieger meist davon befreit - "Sicherheitsentgelt" pro Person und "Anflugentgeld" zahlen musste. Mit Landegutscheinheft kamen am Ende knapp 22 Euro zusammen - immernoch absolut in Ordnung.

Aufpassen sollte man allerdings mit PPR, hier fallen laut Entgeldordnung 135 Euro pro angefangene Stunde an. Geöffnet ist der Platz regulär von 10:00 bis 18:00 Uhr, spätestens dann sollte man auf dem Heimweg sein. (Alle Angaben natürlich ohne Gewähr, selbstverständlich gelten AIP & NOTAMs!) Der Rückflug war dann entspannt - Hannover ist H24 geöffnet und kassiert erst ab 22:00 Nachtzuschläge. Auf dem Parkplatz wartete unser treues Autochen, also mussten wir auch keine 2-Stunden-Takt-S-Bahn erreichen (und selbst die S-Bahn vom Flughafen Hannover fährt öfter).

04.08.2013_401.jpgAuf dem Rückweg hatten wir zeitweise wieder hohe Wolken über uns und einmal sogar ein paar Kilometer entfernt (also ganz nah) einen Regenschauer über einem Waldgebiet. Mitten aus einer Wolkenansammlung fiel ein vielleicht 100 oder 200 Meter dicker Regenguss zu Boden, darum war alles frei und trocken - die Szene erinnerte leicht an einschlägige SciFi-Filme, bei denen aus der Mitte des Raumschiffs ein Todesstrahl Richtung Erde geschickt wird.

In Hannover erwartete uns starker Verkehr - zumindest für hiesige Verhältnisse. Neben den üblichen Linienmaschienen waren einige - genau wie unsere - am Platz stationierte Chartermaschienen in der Luft, dazu kamen einige Besucher aus Hildesheim, die in den nächsten Tagen in Hannover übernachten - da der Flugplatz Hildesheim wegen einer Veranstaltung für einige Tage geschlossen wird. 

 

4 Kommentare. Schreib was dazu

  1. Ein schöner Eintrag. :)

  2. Hallo Pal!

    Ein schöner Post. Vielleicht sehen wir uns auch mal von Angesicht zu Angesicht, solange Essen noch einen Flughafen hat.

    Viele Grüße,

    Georg.

    • Sebastian

      Ist Essen auch von der Schließung bedroht? Hoffentlich nicht :(
      Tatsächlich ist unser nächster Trip in Eure Richtung geplant, wenn auch nicht ganz bis Essen...

  3. Erik

    Du hast Recht, Rostock-Laage ist schön, aber wirklich am A.... der Welt :-D

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