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Meet & Read auf der Kieler Woche

Die großartige Bärbel Kiy hat dieses Jahr zum ersten Mal zum Meet & Read geladen: Im Rahmen der Kieler Woche lasen Autoren aus ganz Deutschland aus ihren Büchern, freuten sich aber auch auf persönliche Gespräche mit Lesern, Zuhörern und anderen Schreiberlingen. Am vergangenen Dienstag durfte ich auf dem Muddi Markt lesen, der zum zweiten Mal die Holstenbrücke in einen kulturellen Vollsortimenter mit kulinarischen Highlights verwandelt hatte.

Kiel ist per Schiff zweifelsfrei problemlos erreichbar, aber auf anderen Wegen sieht es nicht so gut aus: Die Deutsche Bahn braucht 4 Stunden je Strecke, mit dem Auto sind es bei freien Straßen 2,5 - als die A7 rund um Hamburg das letzte Mal "frei" war, hatte ich vermutlich noch gar keinen Führerschein, also eher drei bis vier pro Strecke.

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Allerdings hat Kiel einen Flughafen! Knapp über eine Stunde Flugzeit von Hannover aus, selbst mit einem Bogen rund um die Hamburger Lufträume nur 1,5. Natürlich hatte ich mir ein Flugzeug reserviert sobald der Termin feststand. Ich fliege VFR, also nach Sichtflugbedingungen: Wolken darf ich nicht durchfliegen, brauche also immer passendes Wetter. Bei allen bisherigen Versuchen, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden, erlaubte das Wetter keinen sicheren Hin- und Rückflug.

Am Dienstag sah es anders aus: Die Vorhersage war nicht unbedingt "gut", aber immerhin noch "sicher fliegbar". In Hannover war kaum Wind, aber die Wolken erlaubten keine normale Reiseflughöhe. Meine Planung sah eine weite Kurve um Hamburg herum vor - mit der Option, direkt über das Stadtgebiet abzukürzen, wenn der Flughafen mich in seinem Luftraum lassen würde.

20140624_EDDV-EDHK.jpgWichtiger war aber zunächst das Wetter: Nördlich von Hannover waren die Wolken höher, ich konnte weiter steigen. Trotzdem hörte ich so bald wie möglich die Hamburger ATIS (die automatische Flugwetteransage) ab und erwartet dort ähnliche Bedingungen wie in Hannover. Die Vorhersage hatte noch vor dem Abflug keine Wolken unterhalb von 5000ft. angekündigt - die Realität sah ausnahmsweise mal schlechter aus, normalerweise ist es umgekehrt.

Hamburg gewährte mir die gewünschte Abkürzung und erlaubte den Einflug in die dortige Kontrollzone. Über das Kreuz A7/A261 ging es entlang der A7 bis zur Köhlbrandbrücke. Dort kam die - ungewohnt ungenaue - Anweisung, zu "warten". In der Luft kann man nicht "mal eben auf die Bremse treten", deswegen wird üblicherweise eine genaue Warteschleife vorgegeben. So drehte ich also Kreise über dem Containerhafen und dem Südende vom Elbtunnel. Oft genug bin ich dort lang gefahren, aber aus der Luft sieht alles etwas anders aus - noch beeindruckender als am Boden.

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Es gibt definitiv weitaus weniger schöne Orte für Warteschleifen als den Hamburger Hafen.

20140624_121556.jpgSogar die Tunnelbaustelle der mittleren Elbtunnelröhre ist gut zu sehen.

Als der russische A320, wegen dem ich warten musste, kurz vor der Landung und damit außerhalb meines Flugwegs war, durfte ich weiter: Östlich am Flughafen vorbei und dann abseits der normalen Route direkt Richtung Kiel.

Das Wetter mochte an diesem Dienstag anscheinend keine Großstädte: Wie schon nach Hannover verzogen sich auch nach Hamburg die Wolken weiter nach oben und ich konnte wieder auf normale Reiseflughöhe steigen.

20140624_125750.jpgDer Flughafen Kiel liegt im Norden der Stadt, der Anflug erfolgt direkt über die Kieler Bucht. Beim Anflug auf die Bucht habe ich mich wirklich geärgert, dass sich kein Mitflieger gefunden hatte: Der Anblick war atemberaumend! Im Landeanflug habe ich allerdings leider keine Zeit um selbst Fotos zu machen. Ein Leuchtturm war Orientierungspunkt für den Endanflug. Dort, direkt in Verlängerung der Landebahn, setzte scheinbar bereits ein anderes Gefährt zur Landung an. Allerdings nur scheinbar: Es war ein großes Containerschiff. Der Wind war weniger rau, als ich es an der See erwartet hatte und die Landung verlief problemlos.

Flugplätze - so wichtig sie auch für die Infrastruktur sind - haben häufig ein Verkehrsproblem. Nicht so Kiel: Alle 10 Minuten fährt ein Bus direkt vor dem Flughafengelände ab und in rund 20 Minuten war ich an der Holstenbrücke - mehr als rechtzeitig zum Meet & Greet.

20140624_144248.jpgDie Organisatoren des Muddi Markt hatten eine gemütliche Wohnzimmeratmosphäre geschaffen und Bärbel Kiy ein abwechslungsreiches Programm zusammengestellt: Zuerst führte uns Moa Garven in das triste Leben eines Kripobeamten im niedersächsischen Städtchen Leer. Ohnehin schon überarbeitet, lässt er sich von seine Frau zu einer Shoppingtour überreden. Diese endet nicht wie geplant mit einer neuen Jacke, sondern einer Leiche in der Umkleidekabine. Sehr detailreich führte Moa uns durch die Geschichte. Viele Hinweise scheinen zufällig perfekt zu passen, aber wer weiß wie sich die Geschichte weiter entwickelt. Es würde mich wundern, wenn Moa nicht noch für einige Überraschungen gut wäre...

Meine Lesung aus Bea geht passte zwar nicht unbedingt zu einem Kleinstadtkrimi, wohl aber zum Tagesthema "Ein Kessel Buntes". Bea's Geschichte ist keine Fiktion und wenig amüsant, aber es ist eine Geschichte, die erzählt werden sollte. Entsprechend waren auch die Reaktionen der Zuhörer: Interessiert und nachdenklich.

Wieder kam die Frage auf: Kommt da noch was? Gibt es eine Fortsetzung? Vielleicht wird es sie eines Tages geben, aber im Gegensatz zur Belletristik kann ich mich nicht einfach hinsetzen und Teil 2 schreiben. Weder inhaltlich, noch emotional - ich muss abwarten, bis das Leben weitere Kapitel schreibt und selbst dann ist nicht sicher, ob diese auch zu Papier gebracht werden.

Als letzte Teilnehmerin des Meet & Read Dienstag kam Jutta Haar auf die Bühne. Ihre haarigen Zeiten enthalten auch viel Lebenserfahrung und vielleicht auch mehr Realität als das Publikum ahnt. Sie schreibt in einem witzigen Stiel, der ein wenig an Ephraim Kishon erinnert: Kurzweilige Unterhaltung auf hohem Niveau.

Der Rückflug begann mit einer Überraschung: Unangekündigt hatte sich eine Gewitterfront auf den Weg über Südniedersachsen gemacht. Eigentlich war mein Zeitlimit der Betriebsschluss des Kieler Flughafens um 18:00, aber der Blick auf das Wetterradar sagte eher: Wenn Du heute noch nach Hause kommen willst, dann beeil Dich.

20140624_175141.jpgNach dem Start ging ich sofort auf die Frequenz von Bremen Information, dem FIS für Norddeutschland und hörte zwischendurch die ATIS Hannover ab. Regen wurde noch keiner gemeldet und auch die Wolkenhöhen waren in Ordnung, wäre da nicht der kleine Zusatz "CB" gewesen. Im Flughafenbereich bildeten sich anscheinend vereinzelte Cumulonimbus Wolken.

Gewitter sind sehr berechenbar: Erst gibts es ungefährliche Cumuluswölkchen, die wachsen dann irgendwann zu "Towering Cumulus" und schließlich entstehen aus ihnen mächtige CB's. Sind die einmal da, dauert es meist auch nicht mehr lange bis Blitz und Donner kommen. Für Flugzeuge sind die entstehenden Winde allerdings viel schlimmer: Die Kräfte der bewegten Luft in einer Gewitterwolke können einen Kampfjet zerreissen. Als Kleinflugzeug sollte ich mindestens 30km Abstand halten, besser mehr.

Im FIS war nicht viel los, aber die anwesenden Flugzeuge fragten immer häufiger nach dem Wetter. Der Lotse gab nicht mehr - wie sonst üblich - die METAR-Routinewettermeldungen weiter, sondern schaute auch auf Regenradar und Blitzkarte. Kurz vor Soltau war seine Prognose für mich eher positiv: Normalerweise sollte ich vor der Regenfront wieder hannoverschen Boden unter dem Fahrwerk haben.

Trotzdem beschäftigte ich mich gedanklich mit den Alternativen: Mein geplanter Ausweichflugplatz Hildesheim hat auf Grund der Nähe das gleiche Wetter wie Hannover. Die andere kleinen Flugplätze in der Umgebung waren um diese Uhrzeit vermutlich schon geschlossen. Der Bundeswehr-Fliegerhorst Wunstorf ist zivil eigentlich nicht anfliegbar, aber ohnehin keine Option, weil rund 20km näher an der Wetterfront. Meine beste Chance wäre Celle: Auch ein Bundeswehr-Standort, auch für Zivilisten gesperrt, aber bei einer wetterbedingten Sicherheitslandung nehme ich lieber Diskussionen und Papierkram in Kauf als eine Risikolandung in Hannover.

Recht früh meldete ich mich vom FIS ab und in Hannover an. Von dort kam gleich das Angebot, die übliche Strecke zu ignorieren und direkt zum Platz zu fliegen. Die paar Minuten Zeitersparnis habe ich natürlich gerne angenommen. Die ATIS hatte Wind aus 340 Grad mit 10 Knoten angekündigt: Viel Seitenwind, aber ziemlich problemlos beherrschbar. Auf dem Weg zum Flughafen kam dann eine Durchsage an alle: Wind aus 30 Grad - also nicht nur Seiten-, sondern auch Rückenwind. Für mich kein Problem, weil die Landebahn etwa fünf Mal so lang ist, wie für die 172er benötigt.

Ansonsten war die Frequenz recht ruhig, es gab kaum Verkehr in der Luft und so bekam ich schon recht früh die Freigabe: Delta Bravo Sierra, Wind aus drei-sechs-null Grad fünfzehn Knoten, Landung frei zwo-sieben rechts. Die Freigabe war nicht ungewöhnlich, der Rest schon: Der Wind kam exakt von der Seite und 15 Knoten ist eine ganze Menge. Genauer gesagt ist die maximal erlaubte Seitenwindgeschwindigkeit für eine Cessna 172.

Der Wind änderte sich dauernd und viel mehr, als den Landeanflug fortzusetzen, blieb mir nicht. In solchen Fällen ist es sehr hilfreich, sich bereits vorher Gedanken zu machen und Grenzen zu setzen. Mein schnell gefasster Plan war: Anflug wie geplant, kurz vor der Landung nochmal aktuelle Werte abfragen, ausprobieren wie sich der Seitenwind tatsächlich in diesem Moment auswirkt, aber wenn es bei den 15 Knoten bleibt, Durchstarten und bei einem erneuten Anflug auf bessere Bedingungen hoffen.

Als ich in den Endanflug drehte, bekam ein Linienflieger eine Freigabe - ich weiß nicht mehr, ob es eine Start- oder Landefreigabe war, das interessierte mich in diesem Moment auch nicht sonderlich - zusammen mit einer Windangabe: 340 Grad, 7 Knoten. Damit hatte ich sichere Landebedingungen. Die Landung war nicht schön, aber für die Rahmenbedingungen akzeptabel - und ich war zu Hause.

Insgesamt war es ein toller Tag: Ich konnte fliegen - wenn auch leider alleine - und habe tolle Autoren getroffen. Das Meet & Read erlebte nicht unbedingt einen Besucheransturm, aber schön war es trotzdem. Vielen Dank, Bärbel und dem Muddi Markt Team, dass sie es ermöglicht haben.

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1 Kommentar. Schreib was dazu

  1. Meine Güte :D
    Sehr schön ausführlicher Post - Jetzt fühle ich mich als hätten wir zusammen ein Glas Wein getrunken und Du hättest mir deinen Meet and Read Trip erzählt !

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