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Was in Las Vegas passiert...

Vegas beansprucht für sich, dass alles, was dort passiert, auch dort bleibt, aber sollte das nicht auch für Facebook gelten? Was auf Facebook passiert, bleibt auf Facebook? Ganz so einfach ist es nicht, denn manchmal hat Facebook Auswirkungen auf die echte Welt und nicht immer sind die Facebook-Nutzer daran schuld, sondern gelegentlich auch das fehlende Verständnis für die Funktion sozialer Netzwerke.

In unserem kleinen Städchen gibt es eine ziemlich aktive Facebook-Gruppe namens Netzwerk Burgwedel. Von Zeit zu Zeit lese ich dort auch mit und kommentiere zuweilen sogar, aber eine Diskussion vor ein paar Tagen ist mir anscheinend entgangen. Nicht so jedoch irgendjemandem bei der Stadt Burgwedel, denn heute kam folgendes Rundschreiben an alle Kindergarten-Eltern:scan0007.jpgDas Schreiben ist vollständig, auch im Original trug es keine Unterschrift oder den Namen des Autors.

Im Netzwerk Burgwedel, so musste ich mich aufklären lassen, gab es eine kontrovers geführte Diskussion über die gerade laufende Streikwelle, bei der auch einer unserer städtischen Kindergärten zwei Tage lang geschlossen war. Ich habe sie nicht selbst gelesen, aber nach Aussagen mehrerer Teilnehmer gab es sowohl Zustimmung als auch Unverständnis. In einem Land, das zu schwach ist um Twitter zu verbieten und statt dessen Meinungsfreiheit als Grundrecht zelebriert, ist mit gegensätzlichen Meinungen zu rechnen.

Allerdings wird in dieser Gruppe sehr stark auf angemessene Umgangsformen geachtet. Jeder Aufnahmewunsch wird geprüft - Spammer und Fakeaccounts haben dabei keine Chance.

Leider bot das Rundschreiben kein Kommentar-Feld an (übrigens fehlte auch der Gefällt mir Button), so dass ich gezwungener Maßen zu einem papiergebundenen Kommentar greifen musste:

Stadt Burgwedel
Amt für Familie, Bildung & Soziales
Familien- und Kinderservicebüro
Fax: 05139 8973-491

Eltern-Rundschreiben zur Streikkritik

Sehr geehrtes Familien- und Kinderservicebüro im Amt für Familie, Bildung und Soziales der Stadt Burgwedel,

mit großer Verwunderung habe ich Ihr heutiges Rund- und Aushangschreiben an die Eltern der Kindergartenkinder zur Kenntnis genommen.

Sie beziehen sich dabei auf „nicht näher spezifizierte Kritik, die vermeintlich anonym und ohne jedwede direkte Auseinandersetzung mit den Betroffenen in sozialen Netzwerken im Internet geäußert wird". Vermutlich ist damit eine Diskussion im Netzwerk Burgwedel auf Facebook gemeint, welche mir nicht persönlich bekannt ist.

Ihr Schreiben trägt keinen Absender und keine Unterschrift, sondern wurde anonym unter dem Deckmantel städtischen Briefpapiers verfasst. Es lässt keine direkte Auseinandersetzung mit den betroffenen Eltern zu.

Die Teilnehmer des Netzwerkes Burgwedel agieren auf Facebook in der Regel unter ihrem Klarnamen, eine Anonymität konnte ich bisher nicht feststellen. Auch steht jedem Burgwedeler - und auch an Burgwedel interessierten Personen ohne hiesigen Wohnsitz - die Möglichkeit offen, dort die Diskussion zu suchen.

Mit Ihrem Schreiben haben Sie eine Diskussion, die Ihnen anscheinend unangenehm ist oder unangemessen erscheint, von einer begrenzten Nutzergruppe zu allen Eltern getragen.

Die Diskussion selbst ist mir - wie bereits geschrieben - unbekannt, jedoch möchte ich stark bezweifeln, dass es für Sie nachvollziehbar ist, welche Folgen ein - geplanter oder ungeplanter - Kindergartenausfall für die betroffenen ist. Wäre dies der Fall, hätten Sie für Ersatz gesorgt.

Abschließend möchte ich noch anmerken, dass es sich bei den derzeitigen - auch für mich unverständlichen - Aktionen von verdi keinesfalls um einen Streik zur Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten nach fehlgeschlagenen Tarifverhandlungen, sondern um einen Warnstreik während der laufenden Verhandlungen handelt. Die Auswirkungen sind sicherlich die gleichen, aber für einen „echten" Streik könnte ich wesentlich mehr Verständnis aufbringen.

Ich lade Sie herzlich ein, die Diskussion mit allen Betroffenen dort fortzusetzen, wo sie - im Gegensatz zu einem Rundbrief - tatsächlich als solche geführt werden kann: Im Netzwerk Burgwedel auf Facebook
https://www.facebook.com/netzwerk.burgwedel

Dort müssten Sie allerdings, wie alle anderen Teilnehmer, mit Ihrem Namen zu Ihren Aussagen stehen.

Mit freundlichen Grüßen,
Sebastian Willing

Mal schauen, ob Zoe am Montag noch in den Kiga kommen darf oder sie die fristlose Kündigung bekommt. Mich würde auch interessieren, wer dieses Schreiben verfasst hat, denn unser frisch gewählter Bürgermeister ist - recht zuverlässigen Quellen zufolge - selbst im Netzwerk aktiv und hat bereits bewiesen, dass er mit der Facebook-Kommentarfunktion umgehen kann. Das er so ein Schreiben verfasst und dann noch anonym verbreitet, möchte ich derzeit bezweifeln.

Wie haltet Ihr es mit dem Streik und mit Facebook? Ist bei Euch auch der Kindergarten oder öffentliche Nahrverkehr ausgefallen? Wer hat hier überreagiert, jemand bei der Stadt oder ich?

 

5 Kommentare. Schreib was dazu

  1. Nein, Du hast auf keinen Fall überreagiert, finde ich.
    Deine Antwort bringt es genau auf den Punkt.
    Solche Dinge werden ja immer kontrovers diskutiert.
    Im Fernsehen konnte man ja auch mit verfolgen, dass die einen ein gewisses Verständnis für den (Warn-)Streik hatten, auch wenn sie selbst betroffen waren, und andere ihre Arbeit und Zeiteinteilung völlig umstellen mussten, was bei ihnen auf wenig Verständnis stieß.

    So etwas müssen Einrichtungen, die bei solchen Forderungen mitmachen, in Kauf nehmen.
    Es ist in meinen Augen sogar ein Unding, etwa gegensätzliche Meinungen in der Öffentlichkeit unterdrücken zu wollen und schön hinter verschlossenen Türen zu halten.

    Ich sehe es ja auch in anderen Gruppen, dass die Diskussion in Threads sehr mäandern kann, was vom ursprünglichen Post weg wegführt. Und doch sind es ja Meinungen und Auseinandersetzungen mitten aus dem Leben.

    Das Rundschreiben dieses Amtes hat den bitteren Beigeschmack eine leichten, vorsorglichen Drohgebärde, nur ja keine Kritik in der Öffentlichkeit laut werden zu lassen. Es ist stimmungsmachend und spricht, wie Du geschrieben hast, eine Vielzahl von Eltern an, die gar nicht an einer solchen Diskussion in einem sozialen Netzwerk beteiligt waren.
    Das "konstruktive Gespräch" bestand möglicherweise in der bedauernden Mitteilung, dass aufgrund des Streiks an diesem Tag leider keine Betreuung möglich wäre, auch nicht für Notfälle. (So ähnlich wurde es von einigen Fälle in den Nachrichten geschildert.)
    Da finde ich es sehr verständlich, dass solche Vorfälle bei manchen der betroffenen Eltern große Verärgerung hervorrufen und sie dieser auch in der Öffentlichkeit Luft verschaffen möchten, wenn die Diskussion auf dieses Thema gekommen ist.

    Das Amt für Familie, Bildung und Soziales und andere, welche die Diskussion in der Gruppe mitverfolgt haben, sollten eigentlich auch wissen, dass ehrverletzende Kommentare (falls solche bei der Diskussion dabei waren) entsprechend gemeldet werden können.
    Da braucht man keinen solchen Hammer eines Rundbriefs an alle Eltern zu schwingen.

    Liebe Grüße, Tamaro

  2. Wenn du aus Start jetzt noch Stadt machst finde ich es gut. Ich denke einfach, dass sie sich nicht bei FB äußern werden und ich muss auch sagen, dass dort sehr unshöne Dinge gesagt wurden. Aber, ich gebe dir vollkommen recht, dass dieses Schreiben verwirrend ist, wenn man der Diskusion nicht im Netzwerk verfolgt hat.

    • Sebastian

      Danke für den Hinweis, ist geändert. Mal schauen, ob und auf welchem Wege eine Antwort kommt.

  3. :D sag Bescheid sobald Du eine Antwort erhalten hast!

  4. Ich mag es, wie Du die Perspektive umkehrst. Nicht die Facebook-Nutzer verstecken sich in irgendwelchen grauen Internetecken. Nein, es sind die Verwaltungsmenschen, die sich hinter ihrem Briefköpfchen in scheinbar authoritärer Sicherheit wähnen. Du bringst es auf den Punkt (wie schon so oft).

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