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Putzen nach dem Massenmord

Nein, dies ist kein Gastpost von Justine (siehe auch hier), auch wenn es viele Leichen gibt. Ich selbst bin an den wenigsten davon schuld, aber war am Ende der Dumme, der die Sauerei weg machen musste. Wenigstens hat Zoe freudig geholfen.

Aber fangen wir am Anfang, das ist in diesem Fall der Morgen des heutigen Samstages, an. Nach dem Frühstück sind Zoe und ich logsgezogen und haben ein Stündchen lang unsere "Innenstadt" begrünt. Fast alle Portale waren grau und die restlichen in ziemlich verfallenem Zustand. Jetzt sind sie fast alle grün, voll bestückt und zum Großteil mit Links und Feldern versehen - so wie es sein soll.

Nachmittags wollten wir endlich die Coat of Arms Tour fortsetzen (mich nervt schon, dass ich derzeit keine anderen Missionen machen kann/darf), aber die Feststellung, dass dieses Wochenende der Christopher Street Day bzw. Hannover Pride die Innenstadt okkupiert hat, lies uns das Vorhaben ganz schnell vergessen. Nichts gegen die Teilnehmer, aber mitten im Umzug die Welt zu retten, hätte sich vermutlich schwierig gestaltet.

Statt dessen haben wir spontan Mellendorf ein wenig von der blauen Unterdrückung gesäubert. Von "Too many items" (=2000) runter auf rund 1600 und insgesamt mindestens 150 Glyph-Points - keine schlechte Bilanz für das bisschen investierte Zeit. Außerdem liegt Mellendorf quasi auf dem Weg zum eigentlichen Ziel des Abends.

Besagtes Ziel ist etwa achteinhalb Meter lang und knapp elf Meter breit. Meist lebt es versteckt in seinem Bau mit Brüdern und Schwestern verschiedener Größen, aber wenn das Wetter passt, steckt es die Nase raus und erfreut sich der klaren Luft.

Anders gesagt: Nach fast 11 Monaten Abstinenz zog es mich wieder in die Luft. In den letzten Monaten habe ich ernsthaft darüber nachgedacht, meine Lizenz verfallen zu lassen. Wir waren mit Ingress, kommendem Familienzuwachs, Bloggertreffen, Chor und Arbeit in den letzten Monaten auch so mehr als gut ausgelastet. Eigentlich hatte ich das Fliegen mental schon aufgegeben, aber dann hat es mich doch wieder gepackt.

Seit Wochen habe ich auf den passenden Zeitpunkt gewartet. Das derzeit einzige Flugzeug beim Vercharterer, das ich fliegen darf, musste verfügbar sein, ich musste Zeit haben (und nicht arbeiten), das Wetter musste passen und es durfte kein Sonn- oder Feiertag sein. Letzteres war insbesondere wichtig, weil ich binnen der letzten 90 Tage drei Landungen vorweisen muss, um Passagiere mitnehmen zu dürfen - und die hatte ich natürlich nicht mehr. Aber Platzrunden sind in Hannover aus Lärmschutzgründen nur Werktags (inkl. Samstag) erlaubt.

FlugzeugwäscheHeute war die D-EXBS von 13:00 bis 19:00 ausgebucht. Vorher wäre zu stressig gewesen, aber um 19:00 stand ich abflugbereit am Karl-Jatho-Terminal. Zoe wollte so gerne mit, wäre aber Passagier gewesen und ganz ehrlich - nach der langen Zeit war es mir auch nicht unrecht, dass sie nicht mit an Bord war.

Der Außencheck war immer noch Routine, auch wenn ich zur Sicherheit die Checkliste Punkt für Punkt abgearbeitet habe (nein, Schnee war nicht auf den Tragflächen - bei 15 Grad Außentemperatur auch nicht verwunderlich). Innen habe ich mir Zeit genommen und bin die Instrumente nochmal einzeln durchgegangen.

Dann war es so weit: Hauptschalter ein, Warnleuchte ein, etwas Gas geben, Bremse treten, Herzklopfen, Durchatmen, schauen, ob jemand am Propeller steht und - Zündschlüssel drehen. Eine Umdrehung, noch eine Umdrehung, eine weitere halbe und der Motor sprang an. Gas raus auf 1000 Umdrehungen, Blick zur Ölkontrolle: Alles ok. Durchatmen.

"Hannover Rollkontrolle, Delta-Echo-Xray-Bravo-Sierra, Information Wiskey" - Ja, auch der Funk klappte noch. "D-BS, rollen sie zum Abflugpunkt Piste zwo-sieben-center". Ähhh, ja. Eigentlich wollte ich die Nordbahn. 3,8 km um in aller Ruhe zu starten und nicht 780m und dahinter eine Rollwegkreuzung. Trotzdem habe ich die 27C bestätigt, bin losgerollt...

Nach der ersten Kurve war die Routine wieder da und so kam schließlich: "Bis auf weiteres Rechtsplatzrunden zwo-sieben-rechts, Start frei zwo-sieben-center" Kurz bestätigt, Zeit notiert und dann: Vollgas! Bis zu diesem Moment konnte ich alles in Ruhe machen, danach in der Checkliste nachschauen, ob ich auch nichts vergessen habe (dafür ist sie ja da). Schön langsam und sorgfältig.

Aber wenn der Gasregler einmal rein geschoben ist, gibt es kein langsam und ruhig mehr, dann springt die Drehzahl auf 2500 U/min. und der Flieger beschleunigt. Leicht korregieren, um in der Mitte der Bahn zu bleiben, Blick auf den Geschwindigkeitsmesser: 40 Knoten. 50 Knoten. 55 Knoten und die D-EXBS wurde bockig, wollte nicht mehr hier bleiben. Bugrad anheben, 60 Knoten, das Hauptfahrwerk hebt sich, weiter Geschwindigkeit aufnehmen, 80 Knoten, 85 Knoten, ausgleichen und auf 80 halten - Steiggeschwindigkeit.

Aufatmen, für einen Moment zumindest. Der Start war geglückt, wenn ich auch nicht ganz die Richtung gehalten habe, aber daran hat sich glücklicherweise niemand gestört. Rechtsplatzrunde war angesagt, also war die notwendige Rechtskurve freigegeben. 700 ft. über Meeresspiegel, Blick nach Rechts, Luftraum frei, also eindrehen nach Norden.

Mit nur einer Person an Bord steigt so ein Viersitzer schon ganz gut und mitten in der zweiten Kurve in den Gegenanflug musste ich Gas rausnehmen und die Höhe halten. 100 Knoten - ähh, nein, 80 sollten es in der Platzrunde sein. Gas raus, Nase leicht hoch nehmen - nach einer halben Platzrunde hatte ich den Anflug wieder halbwegs im Gefühl.

"D-BS, frei für rechten Queranflug" - eindrehen nach rechts, die 80 Knoten auf 70 reduzieren, rechts zieht die Landebahn vorbei... aber ich hatte explizit keine Freigabe für den Endanflug. Schon fast auf Höhe der Südbahn kam die dann endlich, also eine 180° Kurve und kurz darauf eindrehen in den Endanflug.

70 Knoten, zu viel Höhe, also Gas raus, langsam auf 60 runter ziehen, die Landeschwelle zog unter mir dahin... Aber auf einer 3,8 km langen Bahn ist das mit einem so kleinen Vogel kein Problem. Kurz vor dem Boden, der entscheidende Moment. Der Fahrtmesser zeigt knapp unter 60 Knoten, aber jetzt kommt genau der Teil, der sich weder theoretisch, noch im Simulator üben lässt: Der richtige Moment zum Abfangen.

Zieht man zu früh, fällt die Geschwindigkeit unter das flugfähige Minimum und die Maschine fällt unsanft auf den Boden. Passiert das aus 10 oder mehr Metern Höhe, ist danach das Fahrwerk Schrott und vermutlich noch einiges anderes. Zieht man zu stark, geht die Nase hoch, die Maschine verwanelt sehr schnell Geschwindigkeit in Höhe und steigt wieder ein bisschen, bis die Geschwindigkeit zu niedrig wird und... siehe oben. Zieht man zu spät, dann greift das alte "unangespitzt in den Boden rammen" Sprichwort.

Vor diesem Moment hatte ich... sagen wir mal Respekt. 55 Knoten - aber so eine 172er ist ein tolles Segelflugzeug und will sich nicht so leicht hinsetzen. Der Boden kommt näher... 50 Knoten... ganz vorsichtig abfangen... wir schweben kurz über dem Boden... Bugrad leicht hoch und mit einer leichten Erschütterung fand das Fahrwerk den Boden wieder. Zwar nicht mittig auf der Bahn, aber die ist mit 45 Metern mehr als breit genug dafür. Bugrad runter, atmen, Vollgas.

Sofort nahm sie wieder Geschwindigkeit auf und einen Wimpernschlag später waren wir wieder in der Luft. Puh, geschafft. Die erste Landung und sowohl ich als auch das Flugzeug war noch am Leben und betriebsfähig.

Wieder rauf in den Gegenanflug. "D-BS, Verkehr ist ein Airbus A320 im Endanflug" - "D-BS, Verkehr in Sicht". Kein Kunststück, wenn der Luftbus voll beleuchtet und kurz vor dem Aufsetzen ist. "Folgen sie als Nummer zwei" - bestätigt, dem großen Bruder Platz gelassen und der zweite Anflug wurde besser als der erste, die Landung aber ähnlich.

Nach der dritten Landung ging es dann zurück zum GAT. Checkliste nachlesen - nichts vergessen. Motor aus. Geschafft! Ich bin wieder passagierflugtauglich! Und das nicht nur formell, sondern auch nach meinem Bauchgefühl.

IMG_20150523_191529.jpgBeim Blick auf das Flugzeug nach der Landung bot sich mir allerdings kein schönes Bild: Überall Leichen. Hunderte, wenn nicht tausende Insekten hatten sich über Flügel, Radkästen und Frontscheibe verteilt. Aufgefallen waren sie mir schon vorher - eigentlich sollte das Flugzeug doch nach jedem Flug geputzt werden!? Nicht nur, weil diese Flecken unschön aussehen, sondern weil jegliche Verschmutzung der Flügelvorderkante das Flugverhalten beeinflusst und zwar nicht gerade positiv.

Zoe war mit Mama noch im Terminal und war immer noch traurig, dass sie nicht mit durfte. Das Angebot, beim Putzen zu helfen, hat sie sofort und mit leuchtenden Augen angenommen. Und beim nächsten Mal darf sie auch wieder mit.

 

3 Kommentare. Schreib was dazu

  1. Das mit den klebenden Insekten hat man ja leider auch im Auto und auf den Rad - ich frag mich immer ob man dagegen irgendwas machen. Von dem Massenmord einmal abgesehen, mag ich auch schlicht nichts von den Leichenteilen abkratzen ...

    :D Aber irgendwas ist ja immer ...

    Liebste Grüße
    Justine

  2. Auf diese Weise könnte man doch auch Schnitzel panieren !?

    • Sebastian

      Also ich bevorzuge doch lieber meine geheime Panade-Mischung, Fliegenleichen auf dem Schnitzel stelle ich mir wenig ansprechend vor.
      Ganz nebenbei dürfte es leichte Auswirkungen auf die Aerodynamik haben, wenn man Schnitzel an die Flügelvorderkante bindet.

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