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Toilettenbenutzung: 15,47 Euro

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Wie schon angekündigt, ging es gestern nach Bonn-Hangelar und damit zum ersten Mal etwas weiter Richtung Süden. Es sollte ein schöner und anstrengender Tag mit vielen Überraschungen werden.

Samstag Morgen, Hannover: Blauer Himmel, ein wenig Dunst am Boden aber keine Wolken in Sicht und ebenso war die Vorhersage für den ganzen Tag. Zwischen Aufstehen mit dem ersten Blick auf Himmel und Vorhersage und Abflug in Hannover hatte sich allerdings über halb Deutschland eine dünne durchbrochene Wolkenschicht gebildet. Die letzten Meldungen von unserer geplanten Flugstrecke bestätigten: Überall ein bisschen Bewölkung aber hoch genug um sicher darunter fliegen zu können.

Beim Start in Hannover müssen wir genau die Rush-Hour erwischt haben, denn auf den Frequenzen ging es ziemlich hektisch zu: Alle möglichen Flugzeuge "prügelten" sich um einen armen Lotsen und die Minuten verstrichen bis es endlich mal ein paar Sekunden Ruhe gab und auch wir uns anmelden konnten: D-EXBS, Cessna 172, 3 Personen von Hannover nach Bonn-Hangelar mit Ausflug über Wiskey. Damit ist nicht etwa ein Zwischenstopp in der Flughafenkneipe gemeint, sondern die vorgegebene Ausflugstrecke Richtung Westen, immer entlang der A2.

In der Luft wurde es ruhiger: Wir hatten unsere Anweisungen und mussten nur noch zwei kurze Positionsmeldungen an den vorgeschriebenen Stellen absetzen, dann lag Hannover hinter und eine mittlerweile immer dichter werdende Wolkendecke über uns. Von Hannover folgte der Wechsel auf "Bremen Information", den südlichen Teil des Nord- und Ostdeutschen "Fluginformationsgebietes". Der Lotse in Hannover hatte zwischendurch wenigstens noch Zeit zum atmen, aber der arme Mensch der in Bremen vor seinem Radarschirm saß wurde von ganz Norddeutschland mit Anfragen bombardiert. Es dauerte fast bis Rinteln bevor wir uns überhaupt anmelden konnten - kein Problem, denn die FIS-Nutzung ist freiwillig.

Ein kleineres Problem gab es allerdings schon: Unter den Wolken war es zunehmend grau und ungemütlich und die großen Flecken blauen Himmels wurden zunehmend weniger. In der Ferne konnte man deutlich einen grauen Schleier sehen der vermutlich Regen war. Solange die Sicht nicht zu stark eingeschränkt wird, ist auch das kein Problem, aber vor uns lag noch über eine Stunde Flugzeit - genug damit sich ein Aufstieg über die Wolken lohnen würde. Das war dank der "Sonnenflecken" zwischen den Wolkenfeldern auch möglich, allerdings - und hier war mein kleines Problem - darf (und vermutlich auch kann) ich nicht durch Wolken fliegen und damit kam ein Aufstieg nur in Frage wenn sichergestellt war, dass wir vor dem Ziel wieder genug wolkenfreien Bereich hatten um auch wieder runter zu kommen.

Endlich wurde die Bremen Information aufgeteilt: Der Nord-Sektor mit Nord-und Ostseeinseln wurde jetzt von einem und der Süd-Sektor von einem anderen Lotsen betreut und wir konnten nach dem Wetter auf unserer Route fragen: Dort wurde blauer Himmel gemeldet, keine Wolken in Sicht und damit war das nächste große Loch unseres. Auf der Straße gilt der "Abstand zum Vordermann", in der Luft zusätzlich noch der Abstand zu Wolken, ein für uns legal nutzbares Wolkenloch muss mindestens die Ausmaße eines mittelgroßen Dorfes haben, aber wir hatten Glück.

Über den Wolken sank auch unser Stress-Level deutlich, denn wir mussten nicht mehr die Höhe über dem Boden, Strecke und überlastete Funkfrequenz gleichzeitig beobachten. In etwa zwei Kilometer Höhe ist es nicht mehr relevant ob die Landschaft hügelig ist und 300 Meter mehr oder weniger über Normal-Null hat, geleitet wurden wir gleichzeitig von Drehfunkfeuern und GPS, die Luft war absolut ruhig und so glitten wir über einem Meer aus Wolken dahin. Der Autopilot übernahm Kurs und Höhe und wir kamen endlich dazu, die ersten Fotos zu machen.

Vor uns lag eine flauschig weiße Schicht die Zoe, die den ersten Teil des Fluges verschlafen hatte, prompt als "Schnee" identifizierte. Wir konnten sie davon überzeugen, dass es sich nicht um Schnee, sondern um Wolken handelte und einigten uns schließlich auf "Schneewolken". Meteorologisch bestimmt nicht ganz korrekt, denn hier war nicht der Inhalt sondern lediglich die Optik gemeint, aber für eine noch-ein-paar-Wochen-Dreijährige dürfte der Unterschied keine Rolle spielen.

Als "VFR"-Sichtflieger ist die Sichtweite von zentraler Bedeutung, denn sie entscheidet ob ein Flug im jeweiligen Luftraum durchgeführt werden darf, hier könnte ich aber nicht einmal schätzen wie weit wir sehen konnten. "Unendlich" ist in der deutschen Gesetzgebung bestimmt nicht vorgesehen, aber mehr als die vorgeschriebenen 8 km waren es auf jeden Fall. Vielleicht 80 km? Oder 180? Noch mehr?

In der Ferne sieht es nach einer durchgehenden Wolkenschicht aus, aber unter uns zeigte sich, dass diese auch hier immer wieder von kleineren und größeren Löchern durchsetzt war. Nicht genug um an dieser Stelle legal durchzufliegen, aber durchaus genug um im sehr unwahrscheinlichen Falle eines Motorschadens mit Bodensicht runter segeln zu können. Eines der Dinge, die man in der Ausbildung lernt: Immer auf alles vorbereitet sein, auch wenn es vermutlich nie eintritt.

Der Wechsel von "Bremen Information" zu "Langen Information" brachte uns auf eine nicht weniger stark benutzte Frequenz und um kein Risiko einzugehen nutzten wir rechtzeitig noch weit vor dem Köln/Bonn/Düsseldorfer Luftraum die nächste gute Möglichkeit zum Abstieg unter die Wolken. Hier gab es keinen Regen und mehr Sonne als noch kurz nach Hannover.

Einer unserer  Wegpunkte war das Wipper-VOR "WYP". Normalerweise sind diese Funkfeuer, die einen über hunderte von Kilometern Entfernung sicher leiten, scheue Wesen und verstecken sich gut, aber WYP hatte sich aus seiner Deckung gewagt und sonnte sich auf einer Wiese. Ein schneller Griff zur Kamera und schon hatte meine Frau es erlegt, zu seinem Glück waren wir aber nur auf Foto-Safari.

Bonn-Hangelar liegt nur einen Katzensprung neben dem Verkehrsflughafen Köln-Bonn und um keinen großen Umweg in Kauf nehmen zu müssen, wollten wir dessen Luftraum durchqueren - was auch problemlos genehmigt wurde. Hannover, unser Heimatflughafen, ist ebenfalls ein Verkehrsflughafen und hat den gleichen Luftraum, die Autobahnen um und durch Hannover machen die Sache allerdings wesentlich einfacher als in Köln/Bonn wo sich der nördliche Pflichtmeldepunkt mitten im Wald versteckt. Ganz im Vertrauen? Nur mit Sichtflug hätten wir ihn trotz guter Vorbereitung vermutlich nicht gefunden, mit GPS war es allerdings kein Problem.

Der südliche Meldepunkt von dem aus wir nach Hangelar weiterfliegen wollten ist dagegen gut zu finden: Das "Flüsschen" Sieg mündet hier in den Rhein - und der ist nicht zu übersehen. Um uns rechtzeitig in Hangelar anmelden zu können, blieb meine Frau auf der Frequenz von Köln/Bonn (denn diese dürfen wir erst verlassen wenn auch der Luftraum hinter uns liegt) und ich kontaktierte Hangelar. Sobald Köln/Bonn uns entlassen hätte, wollte sie auch auf die Hangelar-Frequenz kommen, dann können auch wir wieder miteinander sprechen und wollten uns gemeinsam auf den nicht ganz einfach Anflug auf Hangelar konzentrieren, allerdings hatten wir nicht damit gerechnet dass die beiden Plätze so nahe beieinander liegen.

Vom südlichen Meldepunkt ist nix mehr mit Platzrunde, dort ist man schon fast im Endanflug von Hangelar und so konnten wir direkt in den Quer- und dann in den Endanflug eindrehen, die letzte Checkliste abarbeiten und auf die Bahn gleiten.

Bonn-Hangelar ist ein Platz voller Widersprüche: Eine tolle Infrastruktur, viele Besucherflugzeuge, sehr viel Segelflugbetrieb, eine Hubschrauberwerft und ADAC-Stützpunkt, dazu Gyrocopter und einige Ultaleicht-Flugzeuge, insgesamt könnte ein ein Vorzeigeplatz der allgemeinen Luftfahrt sein, wären da auf der anderen Seite nicht eine komplizierte, aus der Luft nur sehr schwer erkennbare Platzrunde und Behörden die den Platz am liebsten schließen würden. Daraus resultiert ein komplexes, in Teilen widersprüchliches Regelwerk dass Behörden und Anwohner beruhigen soll, wird doch scheinbar sehr viel für den aktiven Lärmschutz getan. In der Praxis möchte ich hier große Zweifel anmelden, auch wenn der Platz von fast allen Seiten ziemlich eng von Wohn- und Industriegebieten eingeschlossen wird, würden weniger praxisnahe Regeln vermutlich auch weniger Lärm bedeuten, beispielsweise die Möglichkeit, zum Abflug legal direkt auf 2.000 ft. steigen zu dürfen - überall anders eine Selbstverständlichkeit.

Genug geschimpft, jetzt folgte erst mal das Pflichtprogramm: Meeting & Mittagessen am Rhein, denn schließlich waren wir nicht (nur) zum Vergnügen hier sondern auch hauptsächlich um einige geschäftliche Termine wahrzunehmen. Nach der Flughafen-Mittagspause waren wir zurück und wollten noch zu einem kleinen Rundflug aufbrechen.

Dieser führte südlich von Bonn bis fast nach Koblenz und auf der anderen Rheinseite zurück. Leider hatte sich ein Passagier ganz besonders gut vorbereitet - und vorher gar nichts gegessen. Eine leichte Thermik machte den Flug etwas wackelig und so mussten wir ihn unplanmäßig abkürzen - statt nach der von Hangelar vorgeschriebenen Stunde Mindestflugzeit waren wir bereits nach etwa 40 Minuten zurück. Tut mir leid, war keine Absicht sondern die Light-Variante eines medizinischen Notfalls: Sie brauchte nach der Landung zwar keinen Arzt, aber war schon ziemlich blass im Gesicht, weitere 20 Minuten Thermik wären mit Sicherheit nicht gut gewesen.

Schließlich wurde es auch Zeit für den Rückflug und die über-Wolken-steigen-Frage vom Hinflug stellte sich gar nicht erst, denn der Himmel war wolkenlos, lediglich eine Dunstschicht hielt sich in etwa 1 km Höhe. Aus einem Bauchgefühl heraus bliebe ich unterhalb der "Flight Levels" in 4.500 ft., also 1,5 km, und auch "Langen Information" hatte sich beruhigt: Nur noch wenige Flugzeuge waren unterwegs und der Lotse nicht mehr weit von seinem Feierabend entfernt, als sich ein kleiner Notfall anbahnte und mein vorheriges "keine Lust noch weiter zu steigen" sich auszahlen sollte.

Zoe hatte gerade die Herden von Heißluftballons, die überall um uns herum in der Abenddämmerung aufstiegen, bewundert als der absolut unpassende Satz kam und für einen spontanen Anstieg des Stress-Level sorgte: "Mama, ich muss mal!" Eben mal rechts ranfahren ist nicht so ganz leicht wenn man sich mit rund 200 km/h anderthalb Kilometer über der Erde befindet. Unser nächster Wegpunkt war Bielefeld, eigentlich wollten wir dort nur drüber und dann weiter über Rinteln nach Hannover fliegen, aber ein kurzer Blick auf die Karte offenbarte eine ausreichend lange Landebahn um dort auch ohne lange Vorbereitung und Kurzlandeverfahren sicher einen Zwischenstopp machen zu können.

Langen Information versorgte uns auf die Schnelle mit den Öffnungszeiten, die Pause bis zur Antwort und die Einleitung "ich werde hier draus nicht ganz schlau" sorgten allerdings auch nicht unbedingt für Entspannung. Kurzerhand teilten wir uns auf: Meine Frau blieb bei Langen Information (denn dort waren wir ja noch angemeldet) und ich versuchte Bielefeld zu erreichen. Tatsächlich meldete sich noch jemand obwohl der Platz eigentlich seit 10 Minuten geschlossen war. Sie warteten noch auf einen verspäteten Flieger und waren deswegen ausnahmsweise noch geöffnet, wenn wir uns beeilten, könnten wir dort und wieder weg sein bevor sie wirklich für heute dicht machen. Es war kurz nach dem offiziellen Sonnenuntergang und damit waren die Chancen ohne "Mayday" zu funken noch einen offenen Platz zu finden ohnehin gering, also nahm ich das Angebot an.

Schnell den Sinkflug einleiten (immer mit dem Risiko dass die Druckänderung Zoe's Blase nicht gerade zuträglich ist), meine Frau meldete uns von Langen Information ab und wir waren unterwegs zu einem Platz, auf den wir in keinster Weise vorbereitet waren. Vor ein paar Tagen habe ich dann endlich doch CISflight VFR Deutschland gekauft: Alle deutschen Anflugkarten in einem handlichen 285 MB PDF mit etwa 1600 Seiten. Ein Griff zum Tablet und schon hatten wir die genaue Position, Anflugverfahren und Rollkarte vor uns.

Meine Frau hat selbst keine Lizenz, allerdings schon einiges an Theorie und genug Stunden gemeinsamer Flugerfahrung um in solchen Situationen richtig zu reagieren: Ich kümmerte mich um die Maschine und sie las die Anflugkarte und dirigierte mich zum Platz und zur Landebahn. An dieser Stelle: 'tschuldigung an alle Bielefelder die gestern Abend einem etwas zu tiefen Anflug zuhören mussten, wir waren am Ende doch schon etwas schneller als erwartet (und damit schon vor der Platzrunde) auf 1000 ft. über Grund Platzrundenhöhe angekommen.

Nach der Landung ging es zum Turm, denn natürlich ist ein Pipi-Problem keine wirkliche Notlandung und so wurden auch hier Landegebühren fällig und ganz nebenbei sind in fast jedem Turm auch Toiletten. Zoe konnte sich erleichtern und wir 15,47 Euro Landegebühren zahlen bevor es wieder raus ging - schließlich sollte der Platz nach der Ankunft des angekündigten verspäteten Fliegers geschlossen werden und wir wollten nicht unbedingt die Nacht in einer Stadt verbringen, die es gar nicht gibt.

Quasi in letzter Minute starteten wir wieder, weiter in Richtung Hannover. Noch einmal einen herzlichen Dank an das freundliche Team vom Flughafen Bielefeld! Der Platz sehr schön aus und wir kommen bestimmt noch einmal wieder, dann aber geplant und nicht spontan. Der Rest des Weges verlief jetzt wirklich friedlich und später als geplant aber wenigstens noch rechtzeitig setzten wir in Hannover auf.

Am Ende bleibt ein Fazit: Deutschland fehlt eine Cloud-Braking-Berechtiung, eine Möglichkeit, dünne Wolkenschichten mit der notwendigen Radarführung zu durchfliegen. Als derzeit einzig mögliche Alternative bleibt die vollwertige Instrumentenflugberechtigung und diese werde ich auch angehen, am liebsten in Form der Enroute-IFR-Variante sofern EASA und deutscher Gesetzgeber sie rechtzeitig fertig bekommen bevor ich meine Mindeststunden bis zum IFR-Anfang zusammen habe.

 

7 Kommentare. Schreib was dazu

  1. Die wahrscheinlich teuerste Pipipause meines Lebens :o)

  2. Die wahrscheinlich teuerste Pipipause meines Lebens :o)

  3. Die wahrscheinlich teuerste Pipipause meines Lebens :o)

  4. Ach komm, es war nicht Frankfurt/M. :-)

  5. Ach komm, es war nicht Frankfurt/M. :-)

  6. Ach komm, es war nicht Frankfurt/M. :-)

  7. So, ich habe gelesen und mein Gott, Kino über den Wolken. ^^ Ich hätte da nicht mit Euch tauschen wollen, wobei meine ja glücklicherweise noch Windeln tragen. :)

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