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Bitte vertrau mir nicht

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Vor ein paar Tagen ist mein Post zum anonymen Internet auf große Resonanz gestoßen, viel mehr als ich erwartet hätte. Eigentlich sollte es keine Fortsetzung geben, aber ich schlittere gerade in ein Dilemma, dass eine solche anscheinend unvermeidbar macht.

Im letzten Post habe ich über öffentlich zugängliche Informationen geschrieben, Daten, die jeder einfach so aus dem Internet zusammentragen kann, allerdings gibt es noch ein weiteres Problem, wenn sich elektronische Freundschaften entwickeln, so passiert mit einigen anderen Bloggern.

Dann werden irgendwann nichtöffentliche Informationen ausgetauscht, man spricht über persönliche Probleme und baut Vertrauen auf - aber auf welcher Basis? Gute Freunde, die man regelmäßig persönlich trifft, können sich auch verstellen, falsche Tatsachen vorspielen, aber grundlegende Dinge wie das Geschlecht, das ungefähre Alter, vorhandene Lebenspartner oder Kinder, lassen sich nur mit sehr viel Aufwand vortäuschen.

Das Internet ist ganz anders. Es wäre zwar ein ziemlicher Aufwand, alles in diesem Blog geschriebene zu erfinden, aber theoretisch könnte ich ein 8jähriges Mädchen sein, dass Aufmerksamkeit sucht, oder ein 80jähriger, der nochmal etwas jünger sein möchte. Wenige meiner Leser habe ich persönlich getroffen und nur diese können sich halbwegs sicher sein, dass ich auch bin wer ich vorgebe zu sein.

Vielleicht erstelle ich mir auch schnell ein paar weitere Blogs, fülle sie mit ein paar dahin gestreuten Posts dekoriert mit geklauten Bildern von anderen Internetseiten, vielleicht noch versehen mit falschen Datumsangaben und schwupps bin ich die nette unschuldige 16jährige (die Kontakt zu gleichaltrigen sucht) oder hoher Manager eines beliebigen Unternehmens.

Mit dieser falschen Identität könnte ich problemlos Freundschaften knüpfen, Vertrauen aufbauen oder erschleichen und an weit mehr Informationen über meine neuen Freunde gelangen, als diese normalerweise im Internet veröffentlichen würden.

Mein eigentliches Dilemma ist allerdings die menschliche Seite: Ich habe in letzter Zeit neue Freunde in der Bloggerszene gefunden und unterschiedlich enge Kontakt aufgebaut. Dabei bin ich ehrlich und gehe davon aus, dass meine Gesprächspartner dies auch sind, für den einen oder anderen ist es auch leichter, mit einem halb-anonymen Kontakt über das Internet über Dinge zu reden, als mit einer lebenden Person.

Diese Möglichkeit hat allerdings ihren Preis, denn nach und nach, auch ohne dass eine Seite dies beabsichtigt, fällt die Anonymität Stückchenweise in sich zusammen, sei es ein echter Vorname der anstatt eines ansonsten immer verwendeten Pseudonyms ausgetauscht wird, nähere Informationen zum eigenen Wohnort oder andere, teils sehr persönliche Daten.

Das alles sollte unter Freunden normal sein und ist vollkommen richtig (und unter Umständen auch hilfreich), wenn beide Seiten es ehrlich meinen und keine Hintergedanken haben, aber wie kann ich ruhigen Gewissens Fragen stellen, die in einem persönlichen Gespräch unproblematisch wären, wie kann ich die Freundschaft vertiefen und wie kann ich die simple Frage beantworten "kann ich Dir vertrauen?"

Ich, für mich selbst, kenne die Antwort und mache ich aus meinen Motiven kein Geheimnis, aber sicher kann nur ich selbst dabei sein. Ich möchte Freundschaften aufbauen, mir macht es Spaß, mit anderen auf verschiedenen Wegen zu kommunizieren und vielleicht möchte ich auch dem einen oder anderen eine Hand reichen und so ein bisschen von dem zurückgeben, was wir an Hilfe mit Bea erfahren haben.

Aber wer sonst kann sich meiner Motive sicher sein? Wenn mir diese oder jene Frage beantwortet wird, dann vielleicht auch anderen, vielleicht auch jemandem, der düstere Pläne schmiedet? Ich kann die Frage "kann ich Dir vertrauen?" nur mit "ja" beantworten, aber würde ich nicht auch genau diese Antwort geben, wenn die Antwort eigentlich "nein" lauten müsste?

Ich denke, dass ein persönliches Treffen viele dieser Unsicherheiten aus dem Weg räumen kann. Unmöglich ist nichts, aber sich auch dort zu verstellen ist wesentlich schwieriger. Allerdings - genau diese Möglichkeit, die virtuelle Freundschaft in eine "RealLife"-Freundschaft zu erweitern, birgt auch enormes Gefahrenpotential, wenn auch weniger für mich. Die meisten Bloggerkontakte sind über ganz Deutschland verstreut, realistisch gesehen würde ich immer versuchen, ein Treffen mit einem Aus-Flug zu verbinden und wenn ich fliege ist fast immer auch meine Familie dabei. Ich bin nicht alleine und Treffpunkt wird wohl immer ein offizieller Flugplatz sein, auf dem andere Piloten, Besucher und Personal unterwegs sind.

Etwas anders sieht die Situation für die andere Seite aus, es braucht es nicht viel Fantasie um sich handfeste Gefahren auszumalen, speziell wenn dunkle Absichten auf ein angeknackstes Selbstbewusstsein oder etwas jugendliche Naivität treffen.

Zu viel Misstrauen kann dagegen auch schnell zur Vereinsamung führen und hundertprozentige Vorsicht jeden Kontakt im Keim ersticken. Damit könnten die Gefahren des Internets schnell jegliche Menschlichkeit unterdrücken - aus Angst vor den (hoffentlich wenigen), die da draußen im weltweiten Datennetz tatsächlich anderen Böses wollen.

Mir bleibt nur zu sagen: Bitte vertrau mir nicht, zumindest nicht einfach so. Lass mich Dein Vertrauen verdienen und genau so musst Du Dir mein Vertrauen verdienen. Wenn wir uns außerhalb der virtuellen Welt treffen, komm nicht allein und wähle einen öffentlichen Ort. Und verhalte Dich ebenso bei anderen Leuten, die Du online kennenlernst.

 

8 Kommentare. Schreib was dazu

  1. hui netter Beitrag in dem ne Menge Wahrheit steckt.Toll geschrieben!

  2. Wahre Worte, ich als eine Person die seinen blog unter realen Namen betreibt würde dies wohl heute nicht mehr tun. Ich dachte zu Beginn es sei normal, ist es aber nicht und somit stehe ich in einer anonymen Umgebung relativ offen da. Es jetzt zu ändern ist zu spät.


    Somit stehe ich natürlich auch hinter den Dingen die Ich in dieser Öffentlichkeit von mir gebe. Meist sind die ausgetauschten Worte und Wortwechsel denn auch völlig harmlos. Dennoch kommen ab und an anonyme Personen mit relativ privaten Fragen, hierbei muss man schon genau überlegen wie weit man geht.


    Ich finde es immer sehr erstaunlich wieviele junge Menschen ganz unbedarft viel von sich in die Öffentlichkeit tragen. Bitte denkt ein wenig mehr über die Gefahren nach, die dieses Verhalten mit sich bringen kann.


    Von mir können manche Leute so einiges in Erfahrung bringen, ob diese Informationen aber stimmen? Es könnte, wie Pal richtig hier ausführt, ja auch so sein, dass alles was ich von mir bekannt gebe von mir vorher zu bestimmten Zwecken ausgedacht worden ist.


    Vielleicht um zu einem bestimmten Ziel zu gelangen...


    ich schließe mich also Pal an, vertraut nicht gleich. Auch mir nicht, ich vertraue Dir auch nicht sofort, vertrauen will verdient sein und es kann lange dauern bis es soweit ist.


    LG Björn

  3. Bretzel-kun

    Vertrauen ist die Basis von allem. Ich bin da relativ offen und wurde noch nie enttäuscht. Natürlich ist es sinnig sich ned mit unbekannten an versteckten Orten zu treffen, aber mal etwas riskieren und sich öffnen, vielleicht auch mal auf die Schnauze fallen lohnt sich.
    Man gewinnt so viel wenn es klappt.


    Vertraut mehr, das ist mein Motto und damit fuhr ich ganz gut bisher <3

  4. Wolkentänzerin

    Ich persönlich kann dir nur zustimmen. Es ist riskant in einem eigentlich anonymen Umfeld zu viel von sich preiszugeben. Wissen wir schließlich nie wirklich, wer sich denn nun hinter dem Nicknamen "xy" verbirgt.
    Und an Pretzel gerichtet, vertrauen mag gut sein und "no risk no fun", doch kann auf dieser Welt viel schneller etwas schlimmes passieren, als das man es noch rechtzeitig abwenden könnte.
    Darum danke ich dir, Pal, für diesen Post und hoffe, du rüttelst damit die Menschen wach!
    Wolkentänzerin

  5. Du hast recht. mit allem. Aber was ist zB mit der Impressumspflicht, von der ich heute auf einem Bloggertreffen erfahren habe...? Demnach müsste jeder private Blogger seinen vollständigen Namen + Anschrift öffentlich angeben, wenn er nicht Gefahr laufen will, von einem Anwalt Post zu bekommen. aber ist das nicht gefundenes Fressen für Stalker, Perverse, Pädophile, Spanner und andere Konsorten, die sich so im World wide Web ihr Futter suchen...?

  6. Sebastian

    Natürlich gibt es die Impressumspflicht, auf der anderen Seite stellt sich die Frage, an wen jemand eine Abmahnung schicken will, wenn es kein Impressum gibt :)
    Es wundert mich ein bisschen, dass Du anonym bloggst und trotzdem auf Bloggertreffen gehst - widerspricht sich das nicht?

  7. wer sagt denn, dass ich anonym blogge? Das Netz kennt meinen Namen, den meiner Tochter und meine Heimatstadt. Ich sträube mich nur dagegen, unsere vollständige Adresse anzugeben. Das widerspricht sich mit einem (von einer PR-Agentur offiziell arrangierten) Bloggertreffen absolut nicht ;)

  8. Wie heisst es so schön: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser... Und ich glaub erstmal von vornherein an das Gute im Menschen, bis ich damit wieder auf die Sch... fall ;)


    Und eine Identität für das Internet zu stricken- für mich zu stressig, gibt aber bestimmt Menschen, denen das den letzten Kick gibt oder die nur so etwas zu ihrer Selbstfindung beitragen können, einfach traurig und viel zu oft kriminell-aber wie überprüfen? Bleibt nur Vertrauen mit einem gesunden Maß an Skepsis.

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