Dieser Post wurde aus meiner alten WordPress-Installation importiert. Sollte es Darstellungsprobleme, falsche Links oder fehlende Bilder geben, bitte einfach hier einen Kommentar hinterlassen. Danke.
Noch vor ein paar Tagen hatte ich ein recht positives Resümee von Bea's erster Woche in der Wohngruppe gezogen, aber zu früh gefreut, gestern Abend kam der Schock-Anruf.Bea war den ganzen Samstag müde und hat ihr Bett kaum verlassen, aber erst Abends fiel die Ursache auf und zwar als die Spätschicht eine Notiz von der Frühschicht vorfand, das Bea's neues Medikament (das ihre Anfälle in der letzten Woche massiv reduziert hatte) fast leer sei und nachbestellt werden müsste. Bei etwa einem halben Liter Flascheninhalt und 10ml pro Tag schwer vorstellbar. So stellte sich schnell raus, das sie versehentlich die Medi eines anderen Kindes bekommen hatte, ein Beruhigungsmittel das normalerweise auch noch viel geringer dosiert wird als Bea's Anti-Anfalls-Mittel.
Als die Verwechslung auffiel hatte die Wohngruppe sofort Notarzt und Krankenwagen gerufen und Bea hatte die Nacht im Krankenhaus verschlafen. Selbiges hatte gestern Abend noch angerufen und Stammdaten abgefragt - und dabei Entwarnung gegeben: Eine Nacht zu Beobachtung und dann ist gut.
Nach dem Frühstück haben Zoe und ich sie dann besucht - und so langsam die Wahrheit erfahren müssen. Bea lag auf der Transplantationsstation, weil die Neurologie voll war. Eigentlich kein Problem und es hat auch glücklicherweise keiner versucht ihr eine neue Niere anzudrehen, aber Besuchskinder, vor allem im Kiga-Alter sind dort eigentlich gar nicht gerne gesehen, denn bei Transplantationspatienten kann fast jede kleine Kinderkrankheit oder Erkältung tödlich enden. Zoe ist glücklicherweise komplett durchgeimpft und gesund, also durften wir doch rein.
Auf der Station hat uns als erstes Bea's Neurologe abgefangen, noch bevor wir nach der Zimmernummer fragen konnten. Eigentlich ist es gar nicht seine Station und ich bin auch nicht sicher ob er heute überhaupt regulär Dienst hatte. Bea hatte von dem falschen Medikament die gleiche Menge bekommen, die sie von ihrem hätte bekommen müssen, die normale Dosis mit der hyperaktive Kinder auf "normal" gebracht werden, liegt aber bei etwa 1/3 der Menge.
Einerseits könnte eine solche Dosis toxisch wirken, aber dafür war sie noch zu gering - Glück gehabt. Dann können bei einer Überdosis Muskelschäden entstehen, die wurden aber schon per Laborbefund ausgeschlossen - nochmal Glück gehabt. Leider hat das Zeugs aber noch eine Nebenwirkung die bei Bea offene Türen einrennt: Es verstärkt die Anfallstendenz, wirkt also perfekt genau gegenteilig zu ihren Anti-Anfalls-Medis die ja gerade so toll wirkten.
Nachdem der Rausch ausgeschlafen war, zeigte sich die Nebenwirkung mit etwa 100 Anfällen pro Stunde, zudem war sie total durcheinander und hat auch ihre reguläre Medikation lange verweigert. Als wir ankamen hatte sie sich erst vor Kurzem ihre Morgendosis geben lassen - eigentlich viel zu spät - und auch nur von einem Medikament, das zweite stand nach wie vor aus. Wenigstens hatte sie zusätzlich ein Mittelchen bekommen, dass genau wie ihr Notfall-Diazepam wirkt, nur nicht so schnell und nicht ganz so hart (den Namen habe ich sofort wieder vergessen, es war irgendwas mit Z) aber damit - so die Hoffnung ihres Neurologen - sollten die vielen kleinen Anfälle hoffentlich erledigt sein.
Ehrlich gesagt - aber das erzählt jetzt bitte keiner meiner Mutter, sie wird sich sowieso schon genug aufregen - habe ich ihn selten so besorgt um Bea's Zustand gesehen. Als wir endlich zu Bea gegangen sind, habe ich sie erst auf den zweiten Blick erkannt. Ziemlich desorientiert saß sie in ihrem Bett und hat mit Uno-Plastiksteinchen gespielt, alles sehr langsam und - selbst für ihre Verhältnisse - unkoordiniert.
Nach dem Anruf von gestern Abend hatte ich ein Kind erwartet, dass die halbe Nacht die Schwestern wach gehalten hatte und kaum auf der Station und schon gar nicht in ihrem Bett zu halten ist, sonst hätte ich Zoe niemals mitgenommen, aber an Aufstehen oder rumlaufen war nicht ansatzweise zu denken. Neben ihr saß eine Schwester, hat mit ihr gespielt, Anfälle aufgeschrieben und sie daran gehindert aufzustehen, denn stehen oder laufen konnte sie nicht, dafür fehlte das Gleichgewicht. Würde ich die Ursache nicht kennen, hätte ich ein sehr intensives Gespräch über Alkoholkonsum einplanen müssen, aber das ist glücklicherweise eines der Probleme die wir mit Bea nie hatten und wohl auch nie haben werden.
Ihr Neurologe hatte schon die Optionen aufgezeigt: Entweder sie kommt zu uns nach Hause oder sie bleibt in der Klinik, auch wenn sie (sobald wir weg sind) eine Schwester permanent nur für sie abstellen müssten. Das hatte schon heute früh für logistische Probleme gesorgt - und hätte ich damit gerechnet, wäre ich mit Sicherheit viel früher da gewesen - denn Krankenhauspersonal ist heute nicht mehr so viel vorhanden wie eigentlich notwendig großzügig eingeplant wie früher. In die Wohngruppe wollte er sie heute noch nicht wieder lassen, denn die Mitarbeiter dort haben noch viel zu wenig Erfahrung um Bea's Anfälle in diesem Zustand einschätzen zu können.
Jetzt gab es also drei Probleme: Ich hatte ein dreijähriges Kleinkind, dem schnell langweilig wird, dabei und das obwohl die große Schwester weitab von "spieltauglich" war, der Umzug ins Krankenhaus war anscheinend so plötzlich abgelaufen dass abgesehen von ein paar Klamotten und einem ihrer Kuschel-Schäfchen nichts mitgekommen war und ich musste entscheiden, wo sie die Nacht verbringen soll. Ganz nebenbei waren Zoe und ich auf einer Transplantationsstation natürlich vollkommen fehl am Platz, denn leicht erkältet waren wir beide in den letzten Tagen eigentlich noch, aber wenigstens das schien sich ausreichend gebessert zu haben.
Glücklicherweise reduzierte sich zumindest die für Bea notwendige Aufmerksamkeit recht bald, denn das Z-Mittel begann langsam zu wirken. Die Spielsteine wurden zunehmend uninteressanter und irgendwann hatte Bea es tatsächlich geschafft einzuschlafen - und damit auch die Anfallsserie zu unterbrechen. Zoe übernahm jetzt die Steine und beschäftigte sich - und teilweise mich - rund anderthalb Stunden richtig toll damit.
Recht schnell war mir allerdings klar, dass Bea in einem 4-Bett-Zimmer und eigentlich zu wenig Personal für eine Dauer-Wache nicht richtig aufgehoben ist und so musste sie mit nach Hause. Medizinisch gesehen war das bestimmt richtig, aber emotional? Wie würde Bea dieses dauernde hin- und her verkraften, erst eine Woche Wohngruppe, dann Krankenhaus, dann zu Hause, dann Wohngruppe?
Zwei Stunden später wurde sie langsam wieder wach und wir wollten nach Hause... hatte ich schon erwähnt dass kaum etwas mitgekommen war? Darunter auch so unwichtige Dinge wie eine Jacke oder Schuhe, aber glücklicherweise gab es eine freundliche Schwesternschülerin, die uns zum Ausgang brachte und dort auf Bea und Zoe aufpasste während ich (im strömenden Regen) das Auto holen konnte. Ein Kind ins Auto tragen, das andere schmollend ins Auto schieben, weil wir ja doch nicht beim krankenhauseigenen Spielplatz waren obwohl Papa das vorher versprochen hatte und dann ab nach Hause.
Bea hat fast die ganze Fahrt gebraucht, um einen(!) Keks zu essen, normalerweise wäre der weg gewesen bevor wir das Klinikgelände verlassen könnten, wenigstens hatte sie keinen einzigen Anfall mehr, ist nicht eingeschlafen und hat keine schlimmeren Symptome gezeigt.
Zu Hause durfte ich meine Entscheidung gleich in Frage stellen, denn sie irrte ziellos und dauer-quengelnd umher. In ihrem Zustand und ohne zu wissen ob und welche Anfälle wann wiederkommen kann man sie auch nicht alleine lassen, also waren immer Mama oder Papa neben ihr, bereit sie sofort aufzufangen wenn ihr die Beine wegknicken. Normalerweise reichte es aus sie in Sichtweite zu haben, aber heute musste es wirklich maximal eine Armlänge sein.
Die leidtragenden waren die Nerven meiner Frau und Zoe, die zurückstecken musste, tut mir leid, aber ging nicht anders. Wenigstens hatte ich mit einer Vermutung recht: Gestern durchgeschlafen, heute Krankenhaus - mein Kind hat Hunger! Eierkuchen isst sie immer gerne, heute Nachmittag hat sie 4 oder 5 22cm-Eierkuchen geschafft (oder waren es 6?), danach noch etwas Schokolade genascht, nebenbei eine Tagesration Saft getrunken und war dann erst glücklich als es Abendessen gab. Bratwurst mag sie auch (fast) immer und hat glatt noch zweieinhalb nachgeschoben, dazu Salat und Brot (nur Zaziki hatten wir keinen mehr, denn eigentlich war heute was anders geplant). Zwischen dem ersten Eierkuchen und dem letzten Stück Bratwurst lagen respektable 3 Stunden.
Jetzt ist sie wenigstens wieder sicher auf den Beinen und wir brauchen nicht mehr bei jedem Schritt neben ihr zu stehen, aber an Schlaf ist noch nicht zu denken. Mama hat sich für Morgen frei genommen (genau passend: heute ist eine Kollegin ins Krankenhaus eingeliefert worden, Verdacht auf irgendwas Fieses im Bauch) und übernimmt - falls notwendig - die Nachtschicht. Morgen Vormittag bringen wir Bea dann wieder zurück in die Wohngruppe und sie scheint sich dort wohler zu fühlen als zu Hause. Ganz nebenbei habe ich Aufkleber für ihre Medis fertig gemacht, aber ich glaube kaum dass dieser Fehler dort ein zweites Mal passieren wird.
Ebensowenig macht es Sinn, Profis jetzt für diesen Fehler auszuschimpfen, so etwas passiert einfach trotz größter Vorsicht und böse bin ich ihnen deswegen nicht, nur das Zusammenpacken einer "Notfallausrüstung" müssen wir noch mal besprechen, denn etwas mehr als eine Hand voll Klamotten wäre schon ganz praktisch gewesen.
Zoe schläft jetzt (hoffentlich) und wir machen jetzt auch Feierabend, glücklicherweise fehlt Bea das Verständnis für Fernsehhandlungen vollkommen, so dass wir bedenkenlos gemäßigte Erwachsenenserien schauen können, wie etwa CSI, NCIS oder Warehouse 13.
PS: Eigentlich wollte ich heute ein bisschen an meiner Gearman-Miniserie weiterschreiben... Die Fortsetzung folgt bald, versprochen.
6 Kommentare. Schreib was dazu-
Lutz Dommel
3.06.2012 22:46
Antworten
-
Lutz Dommel
3.06.2012 22:46
Antworten
-
Lutz Dommel
3.06.2012 22:46
Antworten
-
Vivi
4.06.2012 1:21
Antworten
-
Freakgreeneyes
23.10.2012 22:01
Antworten
-
Sebastian
24.10.2012 7:47
Antworten
:( solche Berichte machen sprachlos.
:( solche Berichte machen sprachlos.
:( solche Berichte machen sprachlos.
Da bleibt einem nur, euch allen viel Kraft zu wünschen!! Eigentlich darf so etwas gar nicht passieren. nicht auszudenken, wenn es sie vergiftet o. ä. hätte. Da war wohl ein Schutzengel unterwegs. Schön, dass Bea heute wieder Appetit hatte! Die emotionale Achterbahn, auf der Uhr gerade fahrt, Wünsche ich niemandem. Auf jeden Fall würde ich sagen, ihr habt in dieser Situation alles richtig gemacht und es war gut, dass ihr Bea vorübergehend mit nach Hause genommen habt!
Ich find´s klasse, dass du/ihr den Fachkräften der Wohngruppe nun nicht anklagend gegenübertretet, weiß ich doch, wie schnell so ein Fehler passieren kann trotz größter Vorsicht. Man befindet sich (dank Personalmangel) alleine im Dienst, hat 12 Bewohner um sich herum auf die es heißt, Acht zu geben und soll dann noch konzentriert - wenn ein oder zwei dieser Bewohner um einen herum stolpern und im Minutentakt sehnsüchtig ihr Abendessen einfordern - die individuellen Medikationen (welche sich ständig ändern) vorbereiten und später ausgeben. Das kann ganz schon hart sein und wenn dann ein Fehler passiert (sollte es natürlich trotzdem auf keinen Fall) wird man schnell von allen Seiten her klagend bemängelt. Deshalb bewundere ich dich für diese verständnissvolle Art!
Kann es eventuell sein, dass mit dem "Z-Medi" Carbamazepin gemeint war? Das wird gegen fokale Epi-Anfälle angewendet. Vielleicht hat der Arzt auch einfach nur die Wirkungsgruppe der Benzodiazepine angesprochen (u.a. in Diazepam enthalten)..Ein Anti-Eptileptikum mit Z beginnend ist mir keines bekannt.
Jedenfalls wüsch ich euch wie Vivi viel Kraft!
"Wie ein Mensch sein Schicksal meistert ist wichtiger, als was sein Schicksal ist."
Ganz so schlimm ist es dort zum Glück nicht: 3 Personen (+Reinigungskraft) betreuen rund 10 Kinder, davon allerdings nur ein schwerst-körperbehindertes, die Nachtwache ist - glaube ich - alleine, allerdings auch nur für die reine Nachtschicht zuständig. Die Kinder helfen im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit, es ist eben mehr eine Großfamilie als ein Pflegeheim und darüber sind wir sehr froh.
Die Z-Medi war tatsächlich etwas mit Z, der Name steht auch im Arztbrief (den ich aber gerade nicht greifbar habe), allerdings ist es bestimmt nichts zur Selbstmedikation und damit war mir der Name für den Blog-Post egal.