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Großes böses anonymes Internet?

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Manchmal, aber nur manchmal wünsche ich mir, ich würde anonym bloggen. Einfach so über alles schreiben ohne Rücksicht auf Verluste auf andere.

Dann könnte ich mich jetzt über das aufregen, was mir gerade im Kopf rumgeht und mir manchmal sogar den Schlaf raubt oder über jenes, das mir auch im Kopf rumspukt und was ich momentan gar nicht richtig erfassen kann. Dann gibt es da jemanden um den ich mir Sorgen mache obwohl wir uns gar nicht kennen, jemanden um den ich mir keine Sorgen machen muss und ein paar Leute mit denen ich gerne chatte (das hat aber mit dem anonymen Bloggen nix zu tun).

Wenn ich jetzt anonym bloggen würde, könnte ich all das einfach runterschreiben, aber dann müsste ich auch auf viel Feedback verzichten was ich offline bekomme - und das möchte ich auch nicht.

Aber... was ist eigentlich anonym? Es gibt da eine Bloggerin - und über sie kann ich hier problemlos schreiben, denn sie bloggt anonym und ist oben nur in der "mit denen ich gerne chatte" Kategorie enthalten - die ganz wunderbare Texte schreibt (ach sei ruhig, Search, Du kannst dementieren so viel Du willst, es ist so). Sie bloggt anonym, stellt keine Fotos von sich ins Internet und ist drauf bedacht keine Details von sich zu verraten.

Andere sind da nicht so vorsichtig, vor ein paar Tagen bin ich über den Blog einer 15jährigen gestolpert, die ganz selbstverständlich ein Klassenfoto hochgeladen hat - natürlich nicht ohne zumindest ein paar Namen zu nennen.

Das tolle am Internet ist, dass sich alle Generationen treffen und miteinander diskutieren, chatten und sich austauschen könne. Geschlecht, Alter, Wohnort, soziale Stellung - alles egal, selbst wenn irgendwann die Frage nach dem Alter kommt und 30-40jährige überraschend feststellen dass sie die ganze Zeit mit nicht weniger überraschten 15-18jährigen über gleiche Interessen geredet haben. Leute, die sich sonst vermutlich nie anfreunden würden, stellen fest dass man über alle möglichen Themen austauschen kann, wenn spezifischen Parameter des Gesprächspartners zunächst auf einen Username reduziert sind.

In so einer gemeinsamen Diskussionsrunde werden viele Dinge ausgetauscht und besprochen. Dinge, über die die vorsichtige Fraktion der Blogger wohl nie öffentlich schreiben würde. Nichts verbotenes oder wirklich Privates und alles ungefährlich.

Ich mag diesen Austausch, die Kommunikation mit ganz anderen Leuten, die teilweise sogar in anderen Ecken der Welt sitzen. Einblicke in semiprofessionelle Fotoshootings, Teenie-Probleme (die an die eigene Jugend erinnern und aus heutiger Sicht so unbedeutend sind) oder Erwachsene Menschen die einfach totalen Quatsch miteinander schreiben und dabei Ihren Spaß haben. Die "junge Generation" kann sich Rat von "den älteren" holen ohne sich Gedanken um Morgen machen zu müssen - man kennt sich nicht persönlich und wenn man jemanden nicht mehr sprechen möchte, ignoriert oder löscht man einfach die Nachrichten.

Eine Schattenseite hat diese Freiheit allerdings schon: Wer sich nicht nur an der ungezwungenen Kommunikation und den anderen Leuten erfreuen möchte, sondern mit Hintergedanken an so einer Kommunikation teilnimmt, erfährt ganz schnell persönliche Daten.

Informationsschnipsel wie "ich habe jetzt Herbstferien, aber nächste Woche wieder Schule" - ein Blick in den Ferienkalender reicht jetzt um den anonymen Blogger auf wenige Bundesländer einzugrenzen. "Ich fahre am Wochende nach XYZ, habe aber eigentlich keinen Bock auf 5 Stunden Autofahrt" - was liegt etwa 5 Autostunden von XYZ entfernt, dazu die Bundesländerliste und schon ist die Region sehr klein geworden. So geht es weiter und plötzlich könnte ein eifriger Datensammler genau wissen, vor welcher Schule er sich aufstellen muss um das nette Mädchen von dem Foto im Internet mal "live" zu sehen. Hoffen wir nur, dass er sie tatsächlich nur sehen will.

Für mich selbst ist so etwas egal und zwar aus zwei Gründen: Ich poste zwar nicht meine Adresse im Blog, aber dennoch finden sich sehr schnell und gar nicht versteckt Hinweise auf meinen Wohnort, mein Leben ist teilweise veröffentlicht und alles was ich sonst so online schreibe steht entweder auch irgendwo in diesem Blog oder ich könnte es problemlos schreiben. Zweitens bin ich erwachsen und (hoffe ich zumindest) nicht unbedingt mehr das typische Ziel für Stalker, die dürften eher auf die Kategorie (und schlagt mich bitte nicht dafür) "Schulmädchen" aus sein.

Mit der einen oder anderen Online-Bekanntschaft sind tatsächlich Treffen im "RealLife" geplant, allerdings fallen diese zumeist nicht unbedingt in die genannte Kategorie (oder, Erik?), die Treffen werden gemeinsam abgesprochen und wir (meine Frau, Zoe und evtl. auch Bea) werden wohl dort hinfliegen, ohne Hintergedanken nur mit dem Wunsch sich mal persönlich zu treffen und ohne Tastatur zu "quatschen", vielleicht auch ein paar Fotos zu machen die meine Fotografiekünste bei weitem übertreffen.

Ich habe auch Kinder und für Bea wird sich das Problem "Internet" nie stellen, aber in 3 bis 4 Jahren wird Zoe ihre Schritte in die weltweite online-Welt wagen. Ich weiß - ehrlich gesagt - nicht, wie ich damit umgehen soll oder werde. Anfangs ist es einfach, aber spätestens wenn sie zweistellig wird, werden wir kaum noch kontrollieren können was sie online so unternimmt. Hier hilft wohl nur rechtzeitige Aufklärung und Hoffnung.

Ich habe überlegt, ob ich diesen Post schreiben soll und habe es letztendlich doch getan, auch auf die Gefahr hin, dass die guten Kontakte und die netten Gespräche darunter leiden werden (was ich nicht hoffe).

 

7 Kommentare. Schreib was dazu

  1. Hallo Pal,
    ich finde es sehr gut, dass Du darüber geschrieben hast und damit natürlich auch etwas oder sehr (kommt auf die einzelne Person an) zum Nachdenken angeregt hast. Ich kenne nun ja auch (zumindest online) einige der Leute. Ich finde es immer wieder toll, zu sehen, wie sehr Du Dich für andere einsetzt, ihnen Mut machst, sie mit deiner lustigen Art und deinen Worten aufbaust. Aber schützen kann man anonym niemand, dafür reicht dein imaginärer Arm nicht. Man kann nur hoffen und aufklären, so gut es aus der Ferne und über das Internet geht. Allein mit diesem Post ist schon sehr viel getan. Finde und denke ich, und es war richtig ihn zu schreiben. Wieso könnten darunter jetzt Kontakte leiden? Das verstehe ich nun leider nicht ganz.


    ♥-liche Grüße, gute Nacht und Dir einen guten Start in die neue Woche, Lill (Hus Finch)

  2. Sebastian

    Ich kenne meine Intention gegenüber den einzelnen Leuten und insgesamt, aber - wie hieß es früher - "Papier ist geduldig", nur weil ich schreibe, dass ich "lieb" bin, muss auch das nicht wahr sein, ich könnte auch ein gemeiner Psychopath und Massenmörder auf der Suche nach neuen Opfern sein - Du weißt es schlichtweg einfach nicht. Genau so könntest Du ein 12jähriger Junge sei, der sich als erwachsene Frau ausgibt.
    Ein großer Teil der beschrieben Kommunikation ist öffentlich, jeder kann mitlesen. Eigentlich ermahne ich mit dem Post insbesondere die "Schulmädchen" mit ihren Daten vorsichtiger umzugehen - das würde auf der anderen Seite aber viele Gesprächsthemen abwürgen: "Hast Du schon Ferien?" - "Darüber spreche ich zur Sicherheit nicht online."
    Der Mittelweg ist schwierig zu finden.

  3. Ich finde sehr wichtig, was du schreibst! ich halte es mit den persönlichen Infos ähnlich wie du. Auch wenn ich nicht mehr in die Kategorie "Schulmädchen" passe, schmeichelt es mir mit meinen 25 Jahren doch, wenn ich beim Kauf einer Flasche harmlosen Weines nach meinem Ausweis gefragt werde. Beim Spirituosenkauf in Verbindung mit Fruchtzwergen, Kindermilch und Windeln passierte das allerdings irgendwie nicht mehr.... Du schreibst, wenn Zoé älter wird, müsst ihr euch auch um deren Internetverhalten Sorgen machen. Ich glaube, richtige Aufklärung an konkreten Beispielen ist da sehr, sehr wichtig, um unsere Kinder zum verantwortungsvollen Umgang mit den neuen Medien zu erziehen. Kennst du die Werbung, wo diverse Gestalten an der Haustür klingeln und nach "Klausi" fragen? (Pornodarsteller, bewaffnete Männer, etc), die Mutter alle völlig arglos eintreten lässt und es am Ende heißt: im wahren Leben würden Sie Ihre Kinder schützen. Dann tun Sie es doch auch im Internet. Ich glaube allerdings nicht, dass gesichtslose Online-Freundschaften unter einer gewissen Vorsicht leiden!

  4. Sebastian

    Das sagt ja die Richtige, Du bist vielleicht 25, aber gehst doch trotzdem noch jeden Tag zur Schule und vorsichtig bist Du, hast ja noch nicht mal auf meine Mail geanwortet :-D
    Spaß bei Seite, ich kenne die Werbung. Die Kids werden immer schneller groß und müssen vielleicht auch online früher Verantwortung übernehmen.

  5. sobald ich solche blogs mit extrem naiven posts und bildern sehe, wo ein mensch, der böses will, quasi sein opfer auf dem silbertablett geliefert bekommt, bin ich froh - das dieses impressumsgemache (JA ich weiß - gesetz bla bla) - von wegen die gesamte anschrift muss im blog stehen - sich noch nicht überall durchgesetzt hat.
    ich würde meinem kind, welches minderjährig ist, keinen blog erlauben. als mutter! oder eben ständig kontrollieren, was da genau geschrieben wird. aber welcher teenie will das schon?
    übrigens habe ich schon viele leute aus dem i-net persönlich kennengelernt. und es nie bereut :)
    aber sicher kein schnellschuss nach 2 stunden chatten, sondern über eine lange zeit.
    gutes thema pal. ausbau - und diskussionswürdig.

  6. Diesen Blog der 15 jährigen habe ich auch gesehen und mich noch gefragt, wieso das ein eigentlich aufgeklärter Teenager macht. Du hast Recht, im Internet hat man durch Chats die Möglichkeit Menschen jeden Alters kennenzulernen und ich habe auch schon einige Chatter real getroffen, einfach weil ich sie schon eine gefühlte Ewigkeit (2 Jahre oder mehr) kannte und man sich dann mal gesehen hat, wenn der oder diejenige in der Nähe war.


    Jugendliche sind heute viel freizügiger als wir es damals waren. Einfach, weil wir gar nicht dieses Medium Internet hatten und gar nicht die Möglichkeit unser Leben für Millionen auszubreiten. Ich beziehe das bewusst auf Jugendliche, weil Erwachsene jegliche Möglichkeiten kennen sich zu schützen und wissen wie sie am besten auf was reagieren müssen.
    Fakt ist, wenn meine Kinder mal so weit sind, dass sie an den PC gehen wird dieser Kindersicher gemacht und sie werden auch von und dabei im Auge behalten, wenn sie am Pc sitzen. Einfach weil wir unsere Kinder schützen wollen.


    Ich finde es sehr gut, dass Du dieses Thema angesprochen hast, viele verschließen die Augen vor solchen Tatsachen leider.

  7. Es ist sicher Teil unserer Aufgabe als Erwachsene, Kids zu warnen. Immer, wenn wir irgendwas für gefährlich, riskant oder eine dumme Idee halten. Ja, schon klar: Es ist ebenso natürlich für die Jüngeren, unsere Warnungen teilweise in den Wind zu schlagen. Aber ein bisschen was bringen die Rufe in der Wüste dann doch - und sei's auch nur ein Aufmerksammachen darauf, dass das Internet eben nicht ganz so arg anonym ist. Und auch nicht alles vergisst.

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