Einschusslöcher im Kind

Als Zoe heute nach Hause kam, war sie ganz käsig: Überall Löcher! Trotzdem strahlte sie über alles und wollte am liebsten sofort jeden anrufen, den sie kennt, um zu berichten. Glücklicherweise kennt sie noch keine Telefonnummern auswendig :)

Seit etwa zwei oder drei Jahren fragt sie immer wieder, wann sie denn geschossen werden kann. Nein, es geht mit Sicherheit nicht darum, das arme Kind mit einem Geweih zu bestücken, im Wald auszusetzen und auf den nächsten Jäger zu warten, sondern eher um die gesellschaftlich geforderten Mindestschmuckstücke für Frauen. Sie wollte Ohrringe!

Auch wenn zwischen den einzelnen Anfragen oft mehrere Monate lagen - der Wunsch blieb konstant und kam auch vorgestern beim Geburtstagsgeschenk-für-die-Freundin-shoppen im Spielzeugladen wieder hoch, denn dort gibt es ja auch sooo schicke Ohrstecker! Mama's Vorschlag, die notwendigen Löcher zu Hause mit Hammer und Nagel zu machen, wurde von Zoe mit einem vorwurfsvollen Du-versuchst-mir-wieder-Blödsinn-zu-erzählen "NEIN!" quittiert - und mit sichtbarer Bleiche, die einer nahestehenden Verkäuferin ins Gesicht stieg. Die arme Frau hardert vermutlich jetzt noch mit sich, dass sie nicht sofort Polizei und Jugendamt alarmiert hat...

Heute morgen weckte ich Zoe vorsichtig, streichelte ihr über den Kopf und flüsterte: "Guten Morgen. Aufstehen." Eine Sekunde verstrich ohne Reaktion. Eine weitere verstrich ebenfalls. In der nächsten stand Zoe im Bett, rief "Heute bekomme ich Ohrringe!!!" und fiel mir um den Hals. Es ist unglaublich, wie schnell dieses Kind von "Tiefschlaf" zu "hellwach" wechselt!

Bei Mama hörte sich das etwas anders an, sie hatte Zoe lediglich versprochen, am Nachmittag mal in einem geeigneten, mit passenden Schußwaffen ausgestatteten Geschäft vorbeizuschauen. Dort hörte sich Zoe geduldig die Erläuterungen des Verkäufers an, ob es nun wehtun würde oder nicht - egal, sie wollte endlich ihre Ohrringe!

Ein Ohr hingehalten - fertig.

Zweites Ohr hingehalten - fertig.

Tränen? Abwesend.

Jetzt läuft sie also (endlich) mit zwei blau funkelnden Ohrsteckern, die sie jedem, der nicht schnell genug weglaufen kann, präsentieren muss, durch die Gegend - und ist glücklich.